Lehrer können fies sein - ich ja nicht! Aber manche schon! Ich habe erst letzte Woche erfahren, dass wir nach den Osterferien sogenannte Monitas rausschicken müssen. Das sind "blaue Briefe", die die Eltern von Kindern bekommen, wenn ihr Kind in manchen Fächern auf 4- und schlechter steht. Als Warnschuss sozusagen. In meiner siebten gibt es so einen Kanditaten. Und nein, das ist nicht der, der mir den Beamer vor der Lehrprobe ausgeschaltet hat. Wobei der auch kurz davor steht. Nein, da gibt's einen Jungen, nennen wir in Osman, der echt ein Mistkind ist. Ich würde keinen anderen Schüler so nennen, aber der ist wirklich ein richtig kleiner unsymphatischer Kerl. Alle anderen sind wenigstens in der Lage ihre Störungen mehr oder weniger charmant zu rechtfertigen. Der nicht. Der ist einfach nur faul und frech. Unverschämt frech. Jedenfalls war mein Plan eigentlich der, dass ich ihn über die Osterferien einen Aufsatz schreiben lasse, in dem er mir begründet, warum er keine Monita von mir bekommen sollte. Je nach Argumentation bekämen die Eltern dann den Brief oder eben nicht. Ich will ja niemandem was böses.
Heute kam ich ins Lehrerzimmer, wo mich direkt Osmans Klassenlehrer angesprochen hat, ob Osman auch bei mir die "Chance" auf diesen Brief hätte. Da meinte ich natürlich ja, aber das ich eben die Geschichte mit dem Aufsatz vorhätte. Nein nein, wiegelte der Klassenlehrer ab, das wäre nicht das einzige Fach und ich soll das auf jeden Fall melden. Und ob Osman eher auf 4- stünde oder 5 und wie weit er von einer 3 entfernt ist. Sehr weit! Die Eltern müssten gewarnt werden. Vor allem weil Osman auch nicht genug dreien hätte, um die fünfen auszugleichen. Schlussendlich hatte ich den Eindruck, als wollte der Klassenlehrer, dass Osman sitzen bleibt und er ihn los ist. Und das Furchtbare: ich kann ihn verstehen. Mir tut jetzt schon der nächste Klassenlehrer leid, weil dir nur ein einziger Junge so die Klasse und den Unterricht zerschießen kann, dass wirklich jeder darunter leidet. Jedenfalls "darf" ich ihn jetzt keinen Aufsatz mehr schreiben lassen und soll ihm auch nicht sagen, dass er von mir so ne Einschätzung bekommen hat. Das wiederum finde ich schon Mist! Aber ich will auch dem Klassenlehrer nicht ins Handwerk pfuschen. Will ich ja später auch nicht.
Na egal, in der letzten Stunde vor den Ferien schaue ich mit denen den obigen Film: Ist die Menschheit ohne Emotionen besser dran? Ich find ihn ganz cool und er ist schon so alt, dass die Schüler ihn mit Sicherheit noch nicht kennen. Aber noch nicht alt genug, um ihr Interesse gar nicht zu wecken.
Am Wochenende habe ich übrigens meine allererste Klausur korrigiert: 4! So was Doofes! Am Ende konnte ich die Punkte noch so verteilen, dass es ne 3- wurde, wobei ich noch nicht weiß, was der Fachlehrer dazu sagt. Beruhigt bin ich, weil ich das Mädel nicht kenne und den Kurs auch nie unterrichtet habe. 2 Seiten Erwartungshorizont und eine Seite Kommentar. Das macht mehr Arbeit, als man denkt. Zum Glück habe ich für meine Geschichtsklausur den Horizont schon so weit fertig, dass das Korrigieren nach den Ferien viel leichter fallen sollte.
Eigentlich versuche ich den Post-Titel immer so zu gestalten, dass man eine ungefähre Ahnung an, in welcher Stimmung ich mich gerade befinde. Heute gab's dafür zwei Varianten. Die eine hat es in den Titel geschafft, die zweite wäre zu lang gewesen: 4/10 - Du Mistkind, du gottverdammtes Ar...kind, wenn ich dich in die Finger kriege, Alta, lass uns nach draußen vor die Tür gehen und es dort regeln *grmpf*
Vor ein paar Wochen wurde ich gefragt, wie die Schüler so drauf wären. Ob die nett sind oder ob sie einen ärgern. Da hab ich noch naiverweise mit ersterem geantwortet. Heute dann der Tag, an dem ich eines besseren belehrt wurde.
Na gut, meine Wut ist mittlerweile verflogen und ich habe auch kein Bedürfnis mehr die Prügelstrafe einzuführen. Immerhin :-)
Von Anfang an: Lehrprobe in meiner Siebten. Die Klasse, die ich mir gewünscht hatte, weil es nur so wenige und sie so süß aufgeweckt sind. Doof nur, wenn einer dabei ist, dem scheinbar noch nie Grenzen aufgezeigt wurden. Bei dem ich das Gefühl habe, der weiß, dass er alles machen kann und eh nix passiert. Beim letzten Elternsprechtag (hab ich das schon mal geschrieben?) hat sein Vater wohl eine Lehrerin aufs Übelste angegangen. Was will man da noch erziehen, wenn die Eltern so kontraproduktiv sind. Naja, ich kenne die familiäre Situation nicht und will jetzt nicht ins Spekulieren kommen.
Jedenfalls erkläre ich den Kids, dass wir in der ersten Stundenhälfte die Unterrichtsregeln festlegen sowie die dazugehörige Strafe, und dass in der zweiten Stundenhälfte Besuch kommt. Natürlich die Frage, wer das wäre und sie wussten sofort, dass ich ihnen gleich erzähle, sie müssten dann brav sein. So weit, so gut. Witzig auch, dass wir jetzt - wider meinem Willen - ein Strichsystem eingeführt haben: wer gegen die Regeln verstößt, bekommt an der Tafel einen Strich, bei drei Strichen wird ein Aufsatz zum Stundenthema fällig. Bei jedem weiteren Strich wird der eine Seite länger. Nach vierzig Minuten war die Tafelhälfte voller Namen und Striche. Das kann ich sogar verstehen, immerhin müssen sie erst testen, wie ernst ich das meine. Jut, ich sag, ich hole nachher meinen Seminarleiter und dann geht's los. Melden sich drei Schüler, die mir sagen, ich solle vorher aber noch die Tafel umdrehen, damit der Mann das nicht sieht und direkt einen schlechten Eindruck von ihnen hat. Musste ich schon schmunzeln.
Wo war ich? Ach ja! Weil zur Lehrprobe ein Filmausschnitt gehörte, baute ich während der ersten Stundenhälfte schon mal die ganze Technik auf. Das kann schon mal ne Weile dauern, weil man ne bestimmte Reihenfolge beim Einschalten und Verkabeln der Geräte einhalten muss, damit man am Ende auch was an der Wand sieht. Gut, alles aufgebaut, läuft. Fünf Minuten vor Lehrprobenbeginn verlasse ich den Raum, dabei fällt mir ein, dass ich jemanden damit beauftragen wollte, auf die Technik aufzupassen, dreh mich um und sehe....Yussuf (so heißt er natürlich nicht wirklich), wie er am Beamer rumspielt und die Wand, an der eben noch mein Bildschirmhintergrund leuchtete...schwarz wird! Ich auf Yussuf und den Beamer zugeschossen, keine Ahnung, was ich alles gesagt habe, am Ende meiner Ausführungen betretenes Schweigen im Klassenzimmer. So leise war's noch nie! Ich war SO wütend, SO ärgerlich (auf mich selbst, denn ich hätte es mir doch denken können) und SOOOOO ängstlich, weil ich wusste, ich hab nur noch drei Minuten bis zur Lehrprobe. Also hektisch auf allen möglichen Knöpfen rumgedrückt, ein betretener Yussuf, dem wahrscheinlich erst da klar wurde, wie ernst das war, der mich fragt, ob er mir helfen kann. "NEIN, setz dich und geh mir aus den Augen!" (Mistkind!)
Kurz und gut, ich hab's nicht zum laufen bekommen, musste aber meinen Fachseminarleiter holen, hatte keinen Plan B in der Tasche und hab dann erst mal alles ausgemacht, in der Hoffnung, dass ich's im Laufe des Einstiegs, in dem nur geredet wurde, hinbekomme. Ist natürlich ne super Sache, wenn man eigentlich Schülern zuhören soll, in Gedanken aber bei der Technik ist. Man muss das verstehen, der Film, den ich zeigen wollte, war quasi der Knackpunkt der Stunde!
Gut, Einstieg läuft, wir reden über Kinderrechte und ob die überall eingehalten werden. Warum nicht, wer ist dafür verantwortlich, können wir etwas dagegen tun, müssen wir uns deswegen verantwortlich fühlen etc.? Zwei Minuten bevor ich den Filmausschnitt zeigen wollte - nix läuft, Bild nicht vorhanden. Ich Panik. Auf einmal...geht das Licht im Klassenzimmer aus! Wir hatten die (elektrischen) Jalousien geschlossen, damit man dann später den Film sieht und auch das Bild des OHP. Stromausfall im ganzen Gebäude! Im Klassenzimmer herrscht romantische Düsternis, die Jalousien lassen sich ohne Strom nicht nach oben fahren - gut, so kann man das Beamerproblem natürlich auch lösen. Zum Glück bemerkte ich nach einem kurzen Schreckmoment, dass mein Laptopmonitor noch an ist, der Akku zum Glück aufgeladen! Also kurzerhand die 14 Schüler um den Laptop gesetzt und los ging's!
Warum mir der Film so wichtig war? Weil die Schüler natürlich der Meinung waren, dass man außer Spenden nicht viel gegen die Verletzung der Kinderrechte in den Entwicklungsländern machen kann. Also haben sie ein Stück Schokolade von mir bekommen und dann im Filmausschnitt zwei Jungs gesehen, die an der Elfenbeinküste Kakaobohnen ernten. Nicht in die Schule gehen, kaum was zu Essen haben, in ihrem Leben noch nie Schokolade gegessen haben, dafür aber versklavt sind. Weil die bösen Schokokonzerne die Bauern so mies bezahlen und wir dummen Industrielandbewohner auch noch die leckere Schokolade kaufen! Diesen Effekt hätte ich nie ohne Film hinbekommen! Hat auch super geklappt. Nach dem Film waren noch drei Stück Schoki übrig, ich dreh mich um und frage die Kids mit einem Lächeln im Gesicht "Jemand noch ein Stück Schokolade?"
Rest der Stunde lief wie geplant und ich war heilfroh, als es vorbei war, ohne dass die Welt untergegangen ist! Kritikpunkte gab's natürlich trotzdem, auch mehr als beim letzten Mal. Der ethische Konflikt hätte stärker herausgearbeitet werden müssen, die Redephase zu Beginn war zu lang, die methodisch-didaktischen Erklärungen in meinem Plan zu oberflächlich. Im Examen wäre es ne 3, in der jetzigen Ausbildungsphase wird's mit ner 2 gewertet.
Aber ich hatte wiedermal ein wirklich sehr produktives und unterhaltsames Gespräch mit meinem Fachseminarleiter. Ich mag den so! Da kritisiert er z.B., dass ich auf eine Schüleräußerung geantwortet habe "Wo ist der Denkfehler?" Das wäre eine "harte" Äußerung gegenüber einer Siebtklässlerin. Und weiter sagt er "Aber dann hab ich nachgedacht, was ich selbst in der Situation gemacht hätte und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ähnlich reagiert hätte." Er macht aber halt klar, dass es einen Unterschied gibt zwischen seiner persönlichen Meinung und einer Idealstunde. Er hätte den Eindruck, dass ich weiß, was ich tue, weiß was mein Ding ist, das auch durchziehe und mir dabei auch von niemanden reinreden lassen will. Das wäre ihm zwar symphatisch, aber ich müsse mir bewusst sein, dass das a) im Examen womöglich zu Punktabzügen führt und b) auch später im Kollegenkreis nicht immer gerne geesehen wird. Da würde Halsstarrigkeit mitunter mit Selbstvertrauen verwechselt werden. Warum er ausgerechnet nach dieser Stunde darauf kam, weiß ich zwar nicht, aber ich weiß durchaus, was er meint. Nur, und das habe ich ihm auch versucht zu erklären, bin ich mitnichten der Meinung, dass ich das voll draufhätte, aber ich filter die Ratschläge schon. Wenn die in eine Richtung gehen, die nicht die meine ist, dann hak ich die relativ schnell ab. Heißt aber nicht, dass ich gegen Ratschläge und Kritik immun bin. Aber ich bleibe dabei, wenn ich im Examen ne 2 (oder auch 3) bekomme, dabei aber mein Ding durchziehen konnte, bin ich voll und ganz zufrieden. Ne 1 für's Verbiegen?! Nö, da pfeif ich drauf! Und im Moment sieht's doch ganz gut aus :-)
Und noch ganz kurz zum Schluss, bevor ich eine meiner Stunden für morgen vorbereiten muss: ich habe in der ersten Stundenhälfte mal in meiner Siebten rumgefragt, woher sie denn eigentlich ursprünglich kommen (bzw. ihre Eltern). Fazit: 1 Ägypten, 2 Deutschland, 1 Kurdistan, 2 Pakistan, 2 Tunesien, 2 hab ich vergessen, 4 Türkei. Außerdem waren sie völlig schokiert, als sie hörten, dass ich Atheistin bin. "Und wie glauben Sie dann ist der Mensch entstanden? Erzählen Sie mir jetzt nix von Affen!" und "Und wie ist Ihrer Meinung nach die Welt entstanden, Urknall und so? Ja, da fällt ihnen nix ein. Ich kann's Ihnen sagen: Allah!" Soso... Musste ich mal kurz klarstellen, dass ich zwar selbst an keinen Gott glaube ("an Allah auch nicht?!"), aber die Religionen deswegen nicht verachte oder schlecht machen will. Soll'n se doch alle glauben, woran sie wollen ;-)
PS: Das Video hat den Hintergrund, dass mir außerdem heute noch türkisch vorgerappt wurde und da muss ich mir doch die Stimmung erhalten ;-)
Weil Patanosta in Australien keinen Fernseher hat, hier meine aktuellen Empfehlungen für hochintelligenten Fernsehgenuss:
1. Falls man Deutschland vermisst und nicht weiß, warum man weggegangen ist. Hier zumindest ein Grund, warum man das deutsche Fernsehen nicht vermissen sollte. So scheurig, dass es schon wieder schön ist:
Deutsche Männer, die ihre große Liebe in Osteuropa suchen. Herrlich!
2. Meine Lieblingsserien zum Einschlafen hier (zu sehen auf den gängigen Streamportalen):
Ein Massenmörder, der versucht den Alltag in den Griff zu bekommen.
3. Oder was für's Teenieherz:
Twighlight für Erwachsene ;-)
Nach einem Tag, der ganz im Zeichen der Planung für 45 Minuten Unterricht stand, werde ich mir jetzt eins von den dreien zur Gemüte führen. Zum Abschalten gibt's wohl nix besseres!
Es wird tatsächlich Sommer...vielleicht auch erst Frühling... Aber fakt ist, dass seit zwei Tagen der Himmel strahlend blau ist, die Sonne knallt, man gar nicht weiß, was man vor lauter Schreck über dieses herrliche Wetter anziehen soll - ick freu mir!
Jetzt müssten nur noch Ferien sein (am besten die ganz langen), dann wär's perfekt. Ach so, und natürlich Geld für Urlaub.
Aaaaber, dabei fällt mir ein: Neulich unterhielten sich zwei Damen im Lehrerzimmer über Ausflüge zum Meer. Da erzählt die eine der anderen, dass sie immer mit dem Auto nach Belgien fahren, dort in den Zug steigen und für 7,60 Euro bis ans Meer fahren können. Das Ganze dauert gerade mal anderthalb Stunden. Für sieben Euro und sechzig Cent! "Nachteil" an der Geschichte ist, dass es die Fahrkarten nur im 10er Pack gibt. Oh, fünfmal ans Meer fahren müssen - schlimm ;-) Natürlich kann man mit den Karten auch woanders hinfahren. Eben in ganz Belgien gültig. Der Wahnsinn. Und damit ich es nicht vergesse, setze ich hier den Link zur Karte als Erinnerung ein. Deswegen auch der etwas merkwürdig anmutende Titel des Posts. Muss ich ja schnell wieder finden! Rail-Pass nennt sich das Ganze.
Weil es in Australien scheinbar keine Musik gibt - ist Youtube dort komplett gesperrt? ;-) - hier noch ein zweites Lied, ebenso passend zum Thema Sonne:
Und zum Abschluss noch eine kleine Anekdote, die tatsächlich gerade eben so passiert ist: Klein J. erledigt ihren Wochenendeinkauf. Obligatorisch mit ner Flasche Wein im Einkaufswagen und an der Kasse noch schnell die Kippen. Die Kassiererin scannt mein Zeugs und fragt abschließend allen Ernstes, ob ich einen Ausweis dabei hätte! Ich starre sie ungläubig an und frage für was sie den denn braucht. Die Zigaretten wären erst ab 18, erwidert sie. Ich entgegne stotternd, dass ich 31 Jahre alt bin! "Ehrlich? Da haben sie sich aber gut gehalten!" Wohlgemerkt, es war kein junger Mann, der mich das fragte und mir vielleicht ein Kompliment machen wollte. Wobei ich dieses Kompliment dann auch überhaupt nicht ernst genommen hätte. Das ist mir in meinem ganzen Leben noch NIE passiert! (Mein Eltern müssten jetzt mal kurz den nächsten Satz überspringen :-)) Selbst mit 15 hat mich NIE jemand nach meinem Ausweis gefragt, egal ob es um Alkohol, Discoeinlass oder Zigaretten ging. Nun gut, ich schiebe es auf ihren langen Arbeitstag und die Hitze. Als ich nach Hause kam, musste ich allerdings doch mal kurz nen prüfenden Blick in den Spiegel werfen. Für 18einhalb könnte ich schon durchgehen ;-)
Aber das scheint heute in der Luft zu liegen. Im Bus wurde ich geduzt - auch das ist mir schon länger nicht mehr passiert und als ich aus der Schule kam, Schülern von mir noch ein schönes Wochenende wünschte, erwiderte einer von ihnen tatsächlich "Dir auch...äh...Ihnen!" Da kannste nix machen. Vielleicht hält Lehrersein (bzw. -werden) nicht nur jung, sondern dreht die Zeit sogar zurück ;-)
So, jetzt komm ich endlich dazu etwas zu meinem zweiten Unterrichtsbesuch in Geschichte zu erzählen. Gestern war ich dann doch zu k.o. dafür... :-)
Thema: Kolonisation - politische Fesselung oder mentale Befreiung. Kurs: 11 LK. 29 Schüler. Das zu den Rahmenbedingungen. Ich glaube, ich muss in der nächsten Stunde bei denen, den einen erklären, dass Geschichte kein reines Faktenfach ist, sondern ein Fach, in dem man sogar eine eigene Meinung haben und diese auch äußern darf. Als sie zum Schluss der Stunde nämlich eine Antwort auf das Stundenthema formulieren sollten, ereilten mich so viele ratlose Blicke, wie ich sie selten auf einen Haufen gesehen habe. "Pst...Frau Walz, was sollen wir denn antworten?" tuscheltuschel "Frau Walz, Sie können doch nicht so eine Frage stellen!" Ich glaube, die Mädels hatten totale Angst, das Falsche zu sagen und entweder sich oder mich bloß zu stellen. Unglaublich, wie geimpft sie sind immer die richtigen Antworten geben zu müssen. Aber genauso auffällig ist ja auch, dass selbst in den höheren Altersklassen so gut wie niemand in der Lage ist Wissen aus den einzelnen Fächern miteinander zu verknüpfen. Argumentieren machen wir in Philosophie, dann könnten wir das ja jetzt mal auf Geschichte übertragen - Fehlanzeige! Aber das liegt eben im Schulsystem. Wenn's da keine Lehrer gibt, die fächerübergreifend miteinander arbeiten bzw. in Gegenwart der Schüler deutlich machen, dass sie das nicht nur dürfen, sondern sogar sollen, wird sich daran nichts ändern.
Den anderen werde ich bei der Ausgabe des Kuchens wohl mal ins Gewissen reden müssen und fragen, ob man sich während einer Lehrprobe über das letzte Fußballspiel unterhalten muss *seufz* Zum Glück wurde mir das aber auch nicht angelastet. Die Jungs sind einfach super schnell fertig gewesen und sind dann zu ihrem Tagesgeschäft übergegangen. Mein Glück war aber, dass sie auf die Frage nach der Fesselung oder Befreiung am Ende nichts zu sagen wussten. Mein Fachseminarleiter meinte sinngemäß "Das sind Jungs, die arbeiten schnell, unterhalten sich über andere Dinge, können trotzdem antworten und glauben zu wissen, was der Lehrer hören will. Ihr Weltbild ist scheinbar im Reinen. Und dann kommt so eine Frage, die ihr Weltbild der Schule ins Wanken bringt. Eine Frage, die man eben nicht eindeutig beantworten kann und bei der nicht klar ist, was der Lehrer jetzt hören will." Das fand er super, weil da ein Denkprozess in Gang gesetzt wurde. Man muss sagen, dass die Gruppe dem Seminarleiter am nächsten saß und er sie sich deshalb als Beobachtungsobjekt ausgesucht hatte. Im Laufe der Stunde hab ich am Rande noch mitbekommen, dass sich der Seminarleiter mit ihnen unterhielt, konnte das aber gar nicht einordnen. So was dürften die Prüfer im Examen wohl nicht, weil man sie dann verklagen könnte (also falls man durchfällt).
Heute hatte ich dann die Nachbesprechung, die besser lief als gedacht. Die Nacht zwischen gestern und heute hab ich sogar von der Stunde geträumt und ständig fielen mir neue Dinge auf, die man kritisieren könnte. Schlussendlich hat er das, was ich an der Stunde zu kritisieren hatte, aber besonders gut gefunden. Wie die Stunde insgesamt. Und wieder habe ich ein zwei wirklich praktische Hinweise erhalten, wie ich sie noch besser hätte machen können. Und auch wenn ich keinen Eindruck in Form einer Note bekommen habe, würde ich sie auf eine 2- schätzen. Völlig okay!
Mal sehen, ob ich meine 10. überzeugen kann, bei ihnen die nächste Lehrprobe zu machen. Ich schätze, da muss ich mir ne Wette als Anreiz überlegen... Aber jetzt erst mal die nächste Philo-Lehrprobe nächste Woche überstehen, dann den neuen Stundenplan ab Ostern abwarten und dann sehen wir weiter!
War ich heute schon ein bisschen erstaunt über meine 9.! Wir hatten die letzte Stunde vor ihrem Praktikum und da ich keinen Nerv hatte, eine Stunde vorzubereiten, haben wir "Herr der Fliegen" gesehen. Keinen Nerv für die Planung ist vielleicht ein bisschen extrem ausgedrückt, weil ich eh vor hatte, den Film früher oder später zu schauen und die Gelegenheit heute nur beim Schopf ergriffen habe. Nachdem wir uns schon vorgestellt haben, was passiert wenn unsere Klasse auf einer einsamen Insel strandet, Szenarien entworfen wurden, bei denen es hauptsächlich um die Frage ging, ob wir Kokosnüsse essen oder auch Fleisch irgendwo auftreiben können, war der Film eine logische Konsequenz. Ums kurz zu machen, wie erwartet am Anfang kichern über diesen doch sehr komisch wirkenden Filmm (für 14/15-jährige) mit zunehmender Fassungslosigkeit und Staunen über die weitere Entwicklung des Films. Jedenfalls durfte ich denselben Film gestern beim Hospitieren im 11-Kurs auch sehen und da waren die Reaktionen andere. z.B. als Piggy, dem kleinen dicklichen Kind, die Brille geklaut wird und er Rotz und Wasser heult - wie reagieren die 11.Klässer? Kichernd! Wohl weil niemand eine Brille trägt im Kurs. Und meine 9.? Völlige Empörung machte sich breit. Und ausgerechnet bei zwei Jungs, bei denen ich mir vorstellen kann, dass sie nicht immer nett zu ihren Mitschülern sind. "Was? Die klauen dem die Brille? Das geht doch nicht! Ehrlich, das geht zu weit!" Als zwei Minuten vorher einer der Jungs umgebracht wurde, hörte ich keine empörten Rufe... Naja, sie fanden ihn, also den Film, glaube ich, gar nicht so schlecht, wie ich befürchtet habe und vier Kids blieben nach der Stunde noch bei mir um darüber zu reden. Waren ja auch viele Fragen offen und so konnte ich den Redebedarf wirklich nachvollziehen.
Wer den Film noch nicht kennt, anschauen! Ist der Mensch von Natur aus gewalttätig?
Da hab ich doch grad die erste eigenständige Mail von einem Schüler bekommen. Also keine "Ihre Mail ist angekommen"-Mail, sondern eine mit einer Frage :-)
Einer meiner 9.-Klässler möchte ein Referat über "Utopie" halten und schrieb nun, dass er auch gerne sein Essay dazu schreiben möchte. Seine vorgeschlagene Frage "Sind Utopien möglich?". Nette Idee, doch schnell beantwortet: Utopien sind Gedankenkonstrukte und deshalb nicht möglich. Sonst wäre es ja keine Utopie mehr. Ich gebe zu, da kommt der pingelige Lehrer raus. Aber nett wie ich bin, habe ich versucht ihn in die richtige Richtung zu schubsen und nun bin ich mal gespannt, was dabei rauskommt.
Im Zuge der Unterrichtsvorbereitung bin ich übrigens auf o.g. Band gestoßen und ganz begeistert. Auch ein sehr schönes Lied von derselben Sängerin:
Ansonsten habe ich heute, nachdem ich für morgen schon alles kopiert habe, meine Lehrprobenstunde noch mal geändert. Man gönnt sich ja sonst nix ;-) Von meinem Ausbildungslehrer kam keine konstruktive Kritik. Eher Fragen, wie "Kolonialismus passiert doch nicht im 19. Jahrhundert, sondern in der Zeit der Entdeckungen der Portugiesen und Spanier. Unser Thema ist doch Imperialismus." Ja, nee is klar. *seufz* Er hat dann aber, mit Unterstützung des Praktikanten, eingesehen, dass ein großer Bestandteil des Imperialismus eben die Kolonisation ist. Ach, da bräuchte ich das Margaretchen, die Fachfrau für diese Epoche ;-)
Schöner Dialog in der 11., bei denen ich auch morgen die Lehrprobe habe. Sie hatten die Aufgabe eine Quelle in Sinnabschnitte zu unterteilen und Überschriften dafür zu finden. Methodentraining quasi. Ich lauf durch den Kurs und schaue hier und da über die Schultern, komme zu einem Schüler, der nichts als die Überschrift markiert hat:
ich: Ach, das hast du aber schön markiert!
er: Ja, ich hatte erst vor Markierungen zu machen, habe mich dann aber dagegen entschieden.
ich: Ja, das kann ich verstehen. Hab ich mir so viel Mühe bei der Gestaltung des Arbeitsblattes gegeben, da würde ich das auch ungerne mit pinkem Marker verunstalten...
er und die umsitzenden Schüler lachen.
Und da sag noch einer, die Schüler würden Ironie nicht verstehen...
Ah, da kam auch schon die Antwort meines 9.Klässlers, der sich für meine Zeit und Hilfe bedankt. Hoffentlich bedenkt er das auch, wenn er das nächste Mal 90 Minuten mit seiner Banknachbarin durchquatscht ;-)
So, nun ist es wieder Sonntag Abend und es wird Zeit für einen kurzen Wochenrückblick. Wahnsinnig aufregendes ist nicht passiert, aber doch das ein oder andere Erzählenswerte:
1. Der Gerät (siehe Video): Meine 10te durfte zum Abschluss des Stationenlernens zum Thema Reformation und Bauernkriege (*gähn*) einen Multiple-Choice-Test schreiben. Am Mittwoch ging's nicht, weil der halbe Kurs fehlte. Da ist völlig an mir vorbeigegangen, dass zu dieser Zeit eine Klausur geschrieben wurde und aus meinem Kurs so viele mitgeschrieben haben. Also haben wir angefangen uns methodisch weiterzubilden und uns in der Quellenanalyse versucht. Zumindest 70 Minuten lang. Danach gab's 20 Minuten Hangman mit historischen Begriffen. Da die Schüler die Begriffe wählen durften, war der historische Gehalt allerdings eher fragwürdig. Machte aber nix, zum Einschleimen bei den Schülern hat's gereicht ;-) Also dann der Test am Freitag. Selbstverständlich große Empörung und Argumente wie "Silke hat gesagt, wir schreiben den heute nicht!". Muss ich mich wohl mal mit Silke unterhalten, wer hier Tests ankündigt und wer sie dann schreibt... Schlussendlich ist er aber besser ausgefallen, als erwartet. Durchschnitt von 2,7. Ach so, was das ganze mit "der Gerät" zu tun hat: eine offene Frage gab's in dem Test schon. Die Schüler sollten den Begriff "Ablasshandel" mit eigenen Worten erklären. Und ich war da wirklich nicht anspruchsvoll bei den Antworten. Einer schrieb nur "Der Gerät" und auf meine Nachfrage, was das denn soll, waren die Jungs ganz empört, dass ich das nicht kenne. Ein anderer schrieb "Titte" und irgendwas mit Sünden erlassen. Alleine für die "Titte" gab's aber doch nur 0 Punkte. Da versuchte er mir doch tatsächlich weiszumachen, dass das "Tilgte" heißen soll. Hat aber leider mit dem Rest des Satzes keinen Sinn ergeben und so blieb es bei den 0 Punkten. Ab jetzt gibt's erst mal klassischen Unterricht, da sie langsam fit für die Klausur werden müssen. Und das erreichen wir nicht mit Stationenlernen oder Hangman spielen. Bin mal gespannt, wie sie mitmachen.
2. Erziehungsmaßnahmen: Die 7. und 8. ging mir diese Woche wirklich auf den Keks. Schnatternd, gackernd, uninteressiert - so lässt sich der Unterricht wohl am besten zusammenfassen. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob mein Unterricht zu langweilig war? Letzte Woche hat es ja noch schön geklappt. Nun hat die 7. die Hausaufgabe bekommen über Regeln nachzudenken, die wir im Unterricht einhalten wollen und Strafen für diejenigen, die sich nicht an sie halten. Und bei der 8. werde ich meinen Unterricht grundsätzlich überdenken und für den Fall, dass es nicht an meinem Unterricht liegt, Strafarbeiten in petto haben. Menno, eigentlich wollte ich das nicht! Aber anders ruiniere ich meine Stimme. Denn entgegen aller pädagogischen Ratschläge rede ich immer lauter, anstatt einfach nichts zu sagen oder ganz leise zu reden, damit die Schüler aufhören zu quatschen. Wer also noch wirksame Disziplinarmaßnahmen aus seiner eigenen Schulzeit kennt, immer her damit! Ich mag mir (noch) kein Buch kaufen und irgendwelche Methoden ausprobieren.
3. Motivation an der falschen Stelle: Auch meine 9. darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Die sind zwar auch nicht super diszipliniert, aber da beschränkt es sich auf vier-sechs Schüler, die ihren Mund nicht halten können. Und natürlich sitzen alle beieinander. Nachdem ich die letzten Stunden schon angedroht habe, etwas in der Sitzordnung zu ändern, war's mir diese Woche zu viel, ich stell mich vor die Bankreihe und sage "David, du und äh...wen nehm ich noch...?" Sein Sitznachbar meldet sich ganz aufgeregt, weil er glaubt, es passiert jetzt was aufregendes und ich sag "Earn, schön, dass du dich freiwillig meldest. Ihr beide packt jetzt eure Sachen und setzt euch in die hintere Bankreihe!" Verdutzte Blicke, grübelnd ob ich das jetzt ernst meine und am Ende widerwilliges Taschenpacken sowie Umziehen. Innerlich bin ich bald umgefallen vor Lachen. Naja, diese Woche schauen wir uns einen Film an, dann sind sie zwei Wochen im Praktikum. Mit den anschließenden Osterferien sehen wir uns dann vier lange Wochen nicht, danach schauen wir weiter.
4. Mein nächster Unterrichtsbesuch (bzw. Lehrprobe) steht vor der Tür! Am Dienstag isses soweit. Geschichte im 11er Leistungskurs. Hab das WE mit der Planung ganzer zwei 45 Minuten-Stunden zugebracht. Sehr schlechtes Zeitmanagement! Aber halt auch nicht einfach. Die Lehrprobe ist am Dienstag, morgen haben wir aber auch noch mal eine Einzelstunde. Nun muss die Stunde morgen ja halbwegs sinnvoll in die Unterrichtsreihe passen und darf auch nicht überplant sein. Denn ich kann ja am Dienstag in der Lehrprobe schlecht damit weiter machen. Einfach sagen, wie lesen nen Text und sprechen darüber, geht aber auch nicht, weil der Praktikant hospitiert und ich zumindest so motiviert bin, ihm ne halbwegs strukturierte Stunde zu zeigen. So viele bekommt er an der Schule bestimmt nicht zu sehen... Nun ja, jetzt bin ich fast fertig, muss morgen nur noch die Ziele der Stunde formulieren. Auch nicht schön, aber ich hoffe, beim morgendlichen Kaffee geht das halbwegs flott. Ansonsten habe ich nämlich noch keine einzige Stunde für die Woche geplant :-( Gut, Dienstag in der 9. Film, Mittwoch hab ich zur Planung frei, Donnerstag und Freitag dann Unterricht. Liegt also alles auf dem Dienstag Nachmittag/Abend und Mittwoch. Und dabei habe ich mir vorgenommen jetzt alle Stunden nach dem Bonbon-Modell zu planen, was erst mal Zeit kostet, bis man das im Blut hat. Erscheint mir aber sinnvoll.
5. Ich habe schon lange nichts mehr von meinem Ausbildungslehrer in Philo geschrieben. Den den ich nicht leiden kann. Nun, in den letzten Wochen hat sich das wirklich gegeben. Vielleicht weil ich zur Zeit nur bei ihm hospitiere und wir dadurch entspannter sind. Egal, diese gute Zeit muss man ausnutzen (auch wenn es weniger Stoff für diesen Blog gibt ;-)). Selbst das Hospitieren macht Spaß! Ich sitze nicht mehr in der letzten Bankreihe, sondern mit vorne am Lehrertisch, so dass wir uns in den Gruppenarbeitsphasen unterhalten können. Wenn er was kopieren geht (oder uns nen Kaffee holt), darf ich schon mal das Unterrichtsgespräch weiterführen oder wir diskutieren ganz offen im Unterrichtsgespräch, worüber sich die Schüler köstlich amüsieren. Diese Woche habe ich ihn gefragt, ob ich mal an einer Klausur mitarbeiten darf, sie erstellen und auch korrigieren. Natürlich alles unter Anleitung. Schön war, dass er gleich zustimmte. Weniger schön, dass die Klausur schon morgen geschrieben wird. Also habe ich mich am Mittwoch hingesetzt und spontan eine Klausur für die 11. Klasse entworfen. Schüttelt man ja auch so einfach aus dem Ärmel. Grad eben hab ich ne Mail bekommen, die zeigt, dass er meine Klausur zumindest fast so übernommen hat. Frage 1 und 2 hat er umformuliert, aber die Textauswahl hat gepasst und die dritte Frage wurde immerhin komplett übernommen. Nun darf ich im Laufe der Woche noch nen Erwartungshorizont schreiben. Wohlgemerkt mach ich das nicht für die Schüler oder den Lehrer, sondern vielmehr für's Fachseminar, die wollen, dass man solche Sachen macht, wenn sich die Gelegenheit bietet und abgibt, damit es mit in die Benotung eingeht. Was tut man nicht alles...
Aber der absolute Knaller ist die Beurteilung, die er mir mit der Klausur geschickt hat! Also entweder die Beurteilung war für meine Kollegin (die nicht mehr da ist) oder es hat ihn große Überwindung gekostet oder es hat sich tatsächlich etwas in unserem Verhältnis verändert. Denn die Beurteilung ist mit Abstand die Beste, die ich bisher bekommen habe. Ehrlich, ich könnte sie immer wieder lesen, so begeistert bin ich davon!
Auszug:
"Mit zunehmender Unterrichtserfahrung allerdings zeigte sich, dass die Referendarin befähigt gewesen ist, ihre Unterrichtsplanungen erfolgreich umzusetzen. Besonders in den letzten Stunden die u.a. das thematisch anspruchsvolle Widerstandsrecht nach Locke behandelten, zeigte sich eine überaus positive Entwicklung in methodischer und didaktischer Hinsicht.
Zudem zeigte sich Frau W. im Verlauf der Reihe auch gegenüber Beratungsangeboten des Fachlehrers immer aufgeschlossener, um ihre Unterrichtsplanungen noch erfolgreicher umzusetzen. Der Wunsch nach weitgehender Autonomie in der Planung und Durchführung des Unterrichts ist der Referendarin jedoch nicht als Manko anzulasten, sondern vielmehr als Plus hoch anzurechnen, da es ja besonders im Fach Philosophie für alle Lehrenden und Lernenden darum gehen sollte, den Mut aufzubringen, sich des "eigenen Verstandes [ohne Leistung eines anderen zu bedienen] zu bedienen!" (Kant Werke XI:53). Und diesem "Wahlspruch der Aufklärung" (ebd.) wird wohl kaum jemand widersprechen wollen, insofern ist dieser Mut, den die Lehramtsanwärterin mit- und aufbringt, besonders hervorzuheben, was auch bedeutet eigene Fehler machen zu dürfen, um aus diesen zu lernen, was Frau W. mit zunehmender Unterrichtserfahrung auch gelungen ist. [...]
Am Ende der Reihe erstellte die Referendarin eigenständig eine Klausur, die passgenau an den von ihr behandelten Stoff anschloss, und die in ihrem Aufbau und der Auswahl des Textes als hervorragend gelungen zu bezeichnen ist."
Hat's doch was gebracht, dass ich ihm in jeder(!) Raucherpause ne Zigarette abgebe?! ;-) Egal, ich freu mich drüber!
So, jetzt widme ich mich dem Fernsehprogramm und melde mich sicherlich Dienstag nach dem Unterrichtsbesuch wieder.
So, nun sind die Schäfchen alle vollständig. Denn heute habe ich den Rest vom Hühnerhaufen kennengelernt. Nachdem ich die 9. und 10. Klasse schon ein paar Stunden unterrichtet habe, die 7. und 8. aber durch die Karnevalstage frei hatten, kenne ich nun alle. Fazit bisher: 7.-9. nett, 10. bin ich mir noch unsicher. Da ist das Problem einfach, dass die wissen, es zählt alles noch nicht so richtig. Sie haben's schon in die Oberstufe geschafft, aber für's Abi zählen die Noten noch nicht. Aber da ich bisher nur Stationenlernen gemacht habe, will ich auch nicht zu früh von Desinteresse sprechen. Fazit 2: absoluter Jungsüberschuss. Bis auf die 9. habe ich einen deutlichen Jungenüberhang in meinen Klassen. Und so sind von insgesamt ca. 85 Schülern ungefähr 60 männlich. Was aber nicht schlimm ist, weil die härter im Nehmen sind und nicht so schnell eingeschnappt sind wie Mädels. Dafür haben sie ne größere Klappe - da kann ich aber mithalten :-)
Heute großartige Diskussionen in der 7., die ich im Dezember bereits drei Wochen unterrichten durfte.
- eines der Mädels fragte mich, welche Themen wir im nächsten Halbjahr behandeln. Ich lese vor und frage, ob sie damit einverstanden sind oder ob sie lieber etwas anderes machen wollen. Wohlgemerkt, wir befinden uns in Praktische Philosophie, da ist man ja flexibel. Nun weiß ich nicht genau, wie wir drauf kamen, aber ich meinte scherzhaft, wir könnten auch Sexualität behandeln (steht wirklich im Lehrplan!). Für mich völlig überraschend: Zustimmung von allen Seiten. Kurz zu den Rahmenbedingungen des Kurses: 14 Schüler insgesamt, davon 12 mit Migrationshintergrund (hauptsächlich muslimisch-arabisch), 11 Schüler, 3 Schülerinnen. Okay, dachte ich, fragste mal nach, was genau sie daran interessieren würde. Eine Schülerantwort: "Mich würde interessieren, woher das kommt, dass man sich plötzlich für Mädchen interessiert und Babys mit denen haben will." Äh, ich seh schon, hier herrscht dringender Aufklärungsbedarf ;-) Mal sehen, wie sie dann reagieren, wenn wir in einer Stunde Homosexualität behandeln. Ob mir die Eltern die Bude einrennen werden? Abwarten...
- eine Idee von mir war, dass wir vor den Sommerferien das Thema "Feste und Feiern in den verschiedenen Religionen" behandeln und dann eine Stunde draußen auf der Wiese verbringen, mit einem multikulturellem Picknick. Einer der Schüler: "Oh ja, da soll meine Mutter Börek machen!" Ich sehe, das läuft so wie ich mir das vorstelle :-)
- Thema der Stunde sollte Gerechtigkeit sein bzw. die Einführung ins Thema. Ich frage also, ob sie mit ihren Noten aus dem letzten Halbjahr zufrieden waren. Hatte den netten Nebeneffekt, dass ich so eher nebenbei die Noten erfahren habe und sie sich gleichzeitig "auskotzen" konnten, wenn sie sie unfair fanden. Sag ich, okay, was haltet ihr davon, wenn ich jedem von euch eine 2- gebe. Das liegt so etwa in der Mitte der Notenskala, damit müsste doch dann jeder einverstanden sein. Ziel ist natürlich, dass sich diejenigen, die eine Eins hatten darüber beschweren, dass das ungerecht ist und die die schlechter waren auch irgendwie einsehen, dass das unverdient wäre. Hat super funktioniert! Eine herrliche Diskussion, die dann - neben dem eigentlichen Thema - auch die spannende Frage umfasste, ob ich das Ernst meinen würde oder ob das jetzt schon Unterricht ist. "Frau W. meinen sie das wirklich ernst?!" - "Nein, quatsch, die hat das nur gesagt, weil sie auf etwas hinauswill" - "Aber sie guckt so ernst, das meint die bestimmt so!" Ich habe innerlich so abgefeiert! Und ich war ehrlich erstaunt, wie fleißig sie mitgearbeitet haben, wie ruhig sie in der Gruppenarbeitsphase waren und wie gut wir miteinander auskamen. Da ist einer in der Klasse, der wohl seit längerer Zeit arge Probleme bereitet, dessen Vater auf dem letzten Elternsprechtag eine Lehrerin wüst beschimpfte und vor dem man an allen Ecken gewarnt wird. Klar, der ist vorlauter als die anderen, aber heute fand ich das nicht so extrem. Mal sehen, wie sich das entwickelt. Aber ich glaube, ich bin eh zu nett und resistent gegen bestimmte Störungen im Unterricht. Die werden sich noch umgucken ;-)