Montag, 19. März 2012

4/10 - Stromausfall ist uncool


Eigentlich versuche ich den Post-Titel immer so zu gestalten, dass man eine ungefähre Ahnung an, in welcher Stimmung ich mich gerade befinde. Heute gab's dafür zwei Varianten. Die eine hat es in den Titel geschafft, die zweite wäre zu lang gewesen: 4/10 - Du Mistkind, du gottverdammtes Ar...kind, wenn ich dich in die Finger kriege, Alta, lass uns nach draußen vor die Tür gehen und es dort regeln *grmpf*

Vor ein paar Wochen wurde ich gefragt, wie die Schüler so drauf wären. Ob die nett sind oder ob sie einen ärgern. Da hab ich noch naiverweise mit ersterem geantwortet. Heute dann der Tag, an dem ich eines besseren belehrt wurde.

Na gut, meine Wut ist mittlerweile verflogen und ich habe auch kein Bedürfnis mehr die Prügelstrafe einzuführen. Immerhin :-)

Von Anfang an: Lehrprobe in meiner Siebten. Die Klasse, die ich mir gewünscht hatte, weil es nur so wenige und sie so süß aufgeweckt sind. Doof nur, wenn einer dabei ist, dem scheinbar noch nie Grenzen aufgezeigt wurden. Bei dem ich das Gefühl habe, der weiß, dass er alles machen kann und eh nix passiert. Beim letzten Elternsprechtag (hab ich das schon mal geschrieben?) hat sein Vater wohl eine Lehrerin aufs Übelste angegangen. Was will man da noch erziehen, wenn die Eltern so kontraproduktiv sind. Naja, ich kenne die familiäre Situation nicht und will jetzt nicht ins Spekulieren kommen. 

Jedenfalls erkläre ich den Kids, dass wir in der ersten Stundenhälfte die Unterrichtsregeln festlegen sowie die dazugehörige Strafe, und dass in der zweiten Stundenhälfte Besuch kommt. Natürlich die Frage, wer das wäre und sie wussten sofort, dass ich ihnen gleich erzähle, sie müssten dann brav sein. So weit, so gut. Witzig auch, dass wir jetzt - wider meinem Willen - ein Strichsystem eingeführt haben: wer gegen die Regeln verstößt, bekommt an der Tafel einen Strich, bei drei Strichen wird ein Aufsatz zum Stundenthema fällig. Bei jedem weiteren Strich wird der eine Seite länger. Nach vierzig Minuten war die Tafelhälfte voller Namen und Striche. Das kann ich sogar verstehen, immerhin müssen sie erst testen, wie ernst ich das meine. Jut, ich sag, ich hole nachher meinen Seminarleiter und dann geht's los. Melden sich drei Schüler, die mir sagen, ich solle vorher aber noch die Tafel umdrehen, damit der Mann das nicht sieht und direkt einen schlechten Eindruck von ihnen hat. Musste ich schon schmunzeln.

Wo war ich? Ach ja! Weil zur Lehrprobe ein Filmausschnitt gehörte, baute ich während der ersten Stundenhälfte schon mal die ganze Technik auf. Das kann schon mal ne Weile dauern, weil man ne bestimmte Reihenfolge beim Einschalten und Verkabeln der Geräte einhalten muss, damit man am Ende auch was an der Wand sieht. Gut, alles aufgebaut, läuft. Fünf Minuten vor Lehrprobenbeginn verlasse ich den Raum, dabei fällt mir ein, dass ich jemanden damit beauftragen wollte, auf die Technik aufzupassen, dreh mich um und sehe....Yussuf (so heißt er natürlich nicht wirklich), wie er am Beamer rumspielt und die Wand, an der eben noch mein Bildschirmhintergrund leuchtete...schwarz wird! Ich auf Yussuf und den Beamer zugeschossen, keine Ahnung, was ich alles gesagt habe, am Ende meiner Ausführungen betretenes Schweigen im Klassenzimmer. So leise war's noch nie! Ich war SO wütend, SO ärgerlich (auf mich selbst, denn ich hätte es mir doch denken können) und SOOOOO ängstlich, weil ich wusste, ich hab nur noch drei Minuten bis zur Lehrprobe. Also hektisch auf allen möglichen Knöpfen rumgedrückt, ein betretener Yussuf, dem wahrscheinlich erst da klar wurde, wie ernst das war, der mich fragt, ob er mir helfen kann. "NEIN, setz dich und geh mir aus den Augen!" (Mistkind!)

Kurz und gut, ich hab's nicht zum laufen bekommen, musste aber meinen Fachseminarleiter holen, hatte keinen Plan B in der Tasche und hab dann erst mal alles ausgemacht, in der Hoffnung, dass ich's im Laufe des Einstiegs, in dem nur geredet wurde, hinbekomme. Ist natürlich ne super Sache, wenn man eigentlich Schülern zuhören soll, in Gedanken aber bei der Technik ist. Man muss das verstehen, der Film, den ich zeigen wollte, war quasi der Knackpunkt der Stunde! 

Gut, Einstieg läuft, wir reden über Kinderrechte und ob die überall eingehalten werden. Warum nicht, wer ist dafür verantwortlich, können wir etwas dagegen tun, müssen wir uns deswegen verantwortlich fühlen etc.? Zwei Minuten bevor ich den Filmausschnitt zeigen wollte - nix läuft, Bild nicht vorhanden. Ich Panik. Auf einmal...geht das Licht im Klassenzimmer aus! Wir hatten die (elektrischen) Jalousien geschlossen, damit man dann später den Film sieht und auch das Bild des OHP. Stromausfall im ganzen Gebäude! Im Klassenzimmer herrscht romantische Düsternis, die Jalousien lassen sich ohne Strom nicht nach oben fahren - gut, so kann man das Beamerproblem natürlich auch lösen. Zum Glück bemerkte ich nach einem kurzen Schreckmoment, dass mein Laptopmonitor noch an ist, der Akku zum Glück aufgeladen! Also kurzerhand die 14 Schüler um den Laptop gesetzt und los ging's!

Warum mir der Film so wichtig war? Weil die Schüler natürlich der Meinung waren, dass man außer Spenden nicht viel gegen die Verletzung der Kinderrechte in den Entwicklungsländern machen kann. Also haben sie ein Stück Schokolade von mir bekommen und dann im Filmausschnitt zwei Jungs gesehen, die an der Elfenbeinküste Kakaobohnen ernten. Nicht in die Schule gehen, kaum was zu Essen haben, in ihrem Leben noch nie Schokolade gegessen haben, dafür aber versklavt sind. Weil die bösen Schokokonzerne die Bauern so mies bezahlen und wir dummen Industrielandbewohner auch noch die leckere Schokolade kaufen! Diesen Effekt hätte ich nie ohne Film hinbekommen! Hat auch super geklappt. Nach dem Film waren noch drei Stück Schoki übrig, ich dreh mich um und frage die Kids mit einem Lächeln im Gesicht "Jemand noch ein Stück Schokolade?"

Rest der Stunde lief wie geplant und ich war heilfroh, als es vorbei war, ohne dass die Welt untergegangen ist! Kritikpunkte gab's natürlich trotzdem, auch mehr als beim letzten Mal. Der ethische Konflikt hätte stärker herausgearbeitet werden müssen, die Redephase zu Beginn war zu lang, die methodisch-didaktischen Erklärungen in meinem Plan zu oberflächlich. Im Examen wäre es ne 3, in der jetzigen Ausbildungsphase wird's mit ner 2 gewertet.

Aber ich hatte wiedermal ein wirklich sehr produktives und unterhaltsames Gespräch mit meinem Fachseminarleiter. Ich mag den so! Da kritisiert er z.B., dass ich auf eine Schüleräußerung geantwortet habe "Wo ist der Denkfehler?" Das wäre eine "harte" Äußerung gegenüber einer Siebtklässlerin. Und weiter sagt er "Aber dann hab ich nachgedacht, was ich selbst in der Situation gemacht hätte und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ähnlich reagiert hätte." Er macht aber halt klar, dass es einen Unterschied gibt zwischen seiner persönlichen Meinung und einer Idealstunde. Er hätte den Eindruck, dass ich weiß, was ich tue, weiß was mein Ding ist, das auch durchziehe und mir dabei auch von niemanden reinreden lassen will. Das wäre ihm zwar symphatisch, aber ich müsse mir bewusst sein, dass das a) im Examen womöglich zu Punktabzügen führt und b) auch später im Kollegenkreis nicht immer gerne geesehen wird. Da würde Halsstarrigkeit mitunter mit Selbstvertrauen verwechselt werden. Warum er ausgerechnet nach dieser Stunde darauf kam, weiß ich zwar nicht, aber ich weiß durchaus, was er meint. Nur, und das habe ich ihm auch versucht zu erklären, bin ich mitnichten der Meinung, dass ich das voll draufhätte, aber ich filter die Ratschläge schon. Wenn die in eine Richtung gehen, die nicht die meine ist, dann hak ich die relativ schnell ab. Heißt aber nicht, dass ich gegen Ratschläge und Kritik immun bin. Aber ich bleibe dabei, wenn ich im Examen ne 2 (oder auch 3) bekomme, dabei aber mein Ding durchziehen konnte, bin ich voll und ganz zufrieden. Ne 1 für's Verbiegen?! Nö, da pfeif ich drauf! Und im Moment sieht's doch ganz gut aus :-)

Und noch ganz kurz zum Schluss, bevor ich eine meiner Stunden für morgen vorbereiten muss: ich habe in der ersten Stundenhälfte mal in meiner Siebten rumgefragt, woher sie denn eigentlich ursprünglich kommen (bzw. ihre Eltern). Fazit: 1 Ägypten, 2 Deutschland, 1 Kurdistan, 2 Pakistan, 2 Tunesien, 2 hab ich vergessen, 4 Türkei. Außerdem waren sie völlig schokiert, als sie hörten, dass ich Atheistin bin. "Und wie glauben Sie dann ist der Mensch entstanden? Erzählen Sie mir jetzt nix von Affen!" und "Und wie ist Ihrer Meinung nach die Welt entstanden, Urknall und so? Ja, da fällt ihnen nix ein. Ich kann's Ihnen sagen: Allah!" Soso... Musste ich mal kurz klarstellen, dass ich zwar selbst an keinen Gott glaube ("an Allah auch nicht?!"), aber die Religionen deswegen nicht verachte oder schlecht machen will. Soll'n se doch alle glauben, woran sie wollen ;-)

PS: Das Video hat den Hintergrund, dass mir außerdem heute noch türkisch vorgerappt wurde und da muss ich mir doch die Stimmung erhalten ;-)

3 Kommentare:

  1. :) ja, manche dinge erledigen sich von selbst und oft anders als gedacht. cooler stromausfall :)

    AntwortenLöschen
  2. ich musste daran denken, dass einem empfohlen wird vorm examen mit dem hausmeister zu sprechen, damit nicht ausgerechnet in diesen stunden feueralarm ist. bei meiner verwirrung verpeile ich das und fall durch, weil ich den notausgang nicht kenne ;-) hier konnte dann tatsächlich keiner was für. so hab ich das aber wenigstens auch mal mitgemacht und habe beim nächsten mal auf jeden fall nen plan b ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Bei: "NEIN, setz dich und geh mir aus den Augen!" (Mistkind!) hätte ich mich wegschmeißen können...
    :-)

    AntwortenLöschen