Die Doku aus dem vorangegangen Post kann man sich übrigens wirklich mal ansehen. Die ist ganz nett, wenn man sich fürs Thema interessiert. Und weil ich grad so nen kreativen Lauf hatte, habe ich doch schon heute das zweite Gespräch geschrieben:
Im
Jahre 2012 begegnet Hans Meier einer Gruppe von jungen Männern und Frauen in
Saint-Jean-Pied-de-Port, einem kleinen Dorf am Fuße der Pyrenäen. Dort an der
Grenze zwischen Frankreich und Spanien kommen sich Hans Meier und die jungen
Leute in einem Gespräch näher:
Hans
Meier: „Hallo zusammen! Was treibt denn junge Menschen wie
euch in so ein verlassenes Kaff in Frankreich?“
Pilger
1:
„Hallo Herr Meier, na so verlassen ist dieses Dorf aber gar nicht.“
Pilger
2:
„Schauen Sie sich doch einmal um!“
HM: „Stimmt,
jetzt wo ihr’s sagt, fällt es mir auch auf. Hier laufen ja überall Menschen
herum. Und alle haben sie Wandersachen an.“
Pilger
3:
„Na was glauben Sie denn? Immerhin sind sie hier an einem der beliebtesten Startpunkte
für den Jakobsweg.“
HM:
„Jakobsweg? Ist das der Jakob, dessen Grab in diesem Santiago de Compos…Campas…äh
Compostela liegen soll?“
Pilger1
:
„Ja, genau! Hier verlief früher mal ein Pilgerweg, auf dem im Mittelalter die
Menschen nach Santiago de Compostela pilgerten, um dort Buße zu tun.“
HM: „Ja,
davon habe ich schon gehört. Heinrich musste sogar noch zusätzlich nach Rom,
Jerusalem und weiteren Orten pilgern, dessen Namen ich aber vergessen habe.
Aber wahrscheinlich hat er eh einen Pilger dafür engagiert.“
Pilger
3:
„Wovon reden Sie? Wer ist Heinrich und wer hat ihn engagiert?“
HM: „Ach,
nichts weiter. Diese Geschichte haben mir drei Männer erzählt. Vielleicht erzähle
ich sie euch später noch. Aber zu euch: Was habt ihr angestellt, dass ihr nach
Santiago laufen müsst?“
Pilger
1:
„Angestellt? Wir? Gar nichts! Wir sind gerade mit dem Abitur fertig geworden
und wollten die Zeit bis zum Studium noch mit einem aufregenden Urlaub
verbringen.“
Pilger
2:
„Genau, viele unserer Freunde fliegen nach Mallorca und feiern dort ihren Abschluss.
Wir hingegen wollten etwas Außergewöhnliches machen.“
HM: „Das
heißt, ihr nehmt diese weite Strecke nicht auf euch, um am Ende von euren
Sünden freigesprochen zu werden, sondern macht das nur aus Vergnügen?!“
Pilger
3:
„Naja, es gibt schon noch Menschen, die diesen Weg aus religiösen Gründen auf
sich nehmen, aber nicht weil sie von ihren Sünden befreit werden wollen,
sondern weil sie hoffen, auf diesem Weg zu ihrem Glauben zurückzufinden. Sie
wollen die Einsamkeit nutzen und hoffen auf…hm, wie sagt man? auf innere
Erleuchtung.“
Pilger
2:
„Ich glaube ja nicht an so einen Unfug, von wegen innerer Erleuchtung. Ich treibe
schon immer gerne Sport, war auch schon Bungee-Jumping, Fallschirmspringen und
Tauchen. Auch finde ich das Wort „pilgern“ so unglaublich altmodisch.
Fernwandern nennt man das heute.“
Pilger
1:
„So ganz recht hast du hier nicht. Man kann zwar auch Fernwandern sagen, aber
immerhin laufen wir wirklich zu einer Kathedrale, in der religiöse Reliquien
liegen. Fernwandern kann man überallhin, Pilgern hat ein Gotteshaus zum Ziel.
Hast du dir mal den Wanderführer angesehen, an wie vielen Kirchen und
Kathedralen wir auf dem Weg vorbeikommen?“
HM: „Jetzt
streitet euch nicht. Ihr geht also nicht aus religiösen, sondern aus
sportlichen Gründen diesen Weg?“
Pilger
2:
„Genau.“
Pilger
1:
„Nicht nur. Ich hoffe schon, ein wenig Stress abzubauen. Das Lernen fürs Abitur
und die Klausuren waren eine so anstrengende Zeit. Jetzt möchte ich mal wieder
einen freien Kopf bekommen und wo kann man den besser haben, als auf einem Weg
mitten durch Nordspanien, weit weg vom Tourismus am Ballermann.“
HM:
„Ach so, verstehe! Und seid ihr schon den Weg von Deutschland aus hierhergelaufen?
Wann beginnt denn euer Studium? Wenn ihr noch bis nach Santiago laufen wollt
und zurück, müsst ihr euch bestimmt beeilen, damit ihr rechtzeitig wieder
zuhause seid.“
Pilger
3:
„Nein nein. Wir sind mit dem Zug aus Paris hierhergefahren und beginnen erst
hier mit dem Pilgern. In sechs Wochen geht unser Flug von Santiago de
Compostela zurück nach Berlin.“
HM: „Sechs
Wochen nur? Früher war man ein halbes Jahr unterwegs. Mindestens! Hat man mir
erzählt…“
Pilger
2:
„Ein halbes Jahr Urlaub kann sich doch heute niemand mehr leisten. Schon sechs
Wochen sind für die meisten Menschen zu lange. Da macht doch kein Chef mit!“
Pilger
1:
„Richtig! Viele laufen deshalb den Weg jedes Jahr ein Stück oder sie verkürzen
ihn und laufen erst an einem späteren Ort los.“
HM: „Ach
so, das geht?“
Pilger
2:
„Ja, warum nicht? Wichtig sind die letzten 100 km.“
HM: „Warum?“
Pilger
3:
„Weil man in Santiago beweisen muss, dass man die letzten 100 km gelaufen ist,
sonst bekommt man keine Urkunde.“
Pilger
1:
„Wenn Sie mit dem Pferd oder Fahrrad unterwegs sind, sind sogar die letzen 200
km Pflicht.“
HM: „Pferd?!
Und ich dachte, man darf nicht mit dem Pferdewagen fahren…“
Pilger
2:
„Pferdewagen?“
HM: „Wie?
Ach nichts, ich war in Gedanken. Und wie beweisen Sie, dass Sie die letzten 100
km gelaufen sind?“
Pilger
3:
„Wir haben bereits von zuhause einen Ausweis beantragt, in dem unsere Daten,
unser Abreisedatum und der Weg steht. Den zeigen wir in den Herbergen oder in
den Kirchen der Orte vor und bekommen dafür Stempel. Diese Stempel sind der
Beweis, dass wir wirklich gelaufen sind.“
HM: „Ach
was?! Gibt es diese Pässe immer noch?“
Pilger
2:
„Ja natürlich! Keine Ahnung, wer da wann draufgekommen ist, aber so will man
vermeiden, dass sich jemand die ganze Zeit fahren lässt und sich eine Urkunde
ergaunert.“
HM:
„Aber
wenn man doch nur aus sportlichen Gründen wandert, kann einem so eine Urkunde
doch egal sein?“
Pilger
3:
„Ja klar. Aber trotzdem möchte man nach sechs Wochen Strapazen eine Art Belohnung.
Das ist wie bei einem Turnier: Wenn Sie da mitgemacht haben, bekommen Sie am
Ende auch eine Teilnahmeurkunde, die Sie sich an die Wand hängen und sich an
das Turnier erinnern können.“
HM: „Stimmt.
Aber sagt mal, was habt ihr denn alles dabei? Ihr seid ja ganz schön vollgepackt,
wenn ich das richtig sehe.“
Pilger
1:
„Nur das Nötigste: Regenschutz für den Rucksack, einen Schlafsack, ein Reisehandtuch,
eine Isomatte, je ein Paar Wanderschuhe und Wandersandalen.“
Pilger
2:
„2 Paar Wandersocken, 1 Paar Freizeitsocken, Unterhosen, 3 T-Shirts, je eine lange
und eine kurze Wanderhose, einen Pullover, eine Windjacke, einen Regenponcho, einen
Hut.“
HM:
„Ah, der Hut!“
Pilger
3:
„Sonnenschutzcreme, Zahnbürste und –Pasta, Seife, Rasierer, WC-Papier, Pflaster,
Wundcreme, Desinfektionsmittel, Nagelschere, Kopfschmerztabletten, Taschenlampe,
Sicherheitsnadeln.“
HM: „Puh,
das ist ja ne ganze Menge!“
Pilger
1:
„Kugelschreiber, Kontaktlinsen, Ohropax, Wäscheleine, Tagebuch, Wanderstab,
Sonnenbrille, Digitalkamera, Handy und Ladegerät.“
Pilger
2:
„Flugtickets, Personalausweis, Pilgerausweis, Wanderführer, EC-Karte, Auslandskrankenkarte,
Trinkflasche, Besteck, Tupperdose, Vitamintabletten und….“
HM: „noch
mehr?
Pilger
2:
„Die Jakobsmuschel.“
HM: „Ah,
die Muschel als Erkennungszeichen der Pilger!“
Pilger
1:
„Genau, so erkennt uns jeder als Pilger und vor allem erkennen wir uns auch untereinander.“
HM:
„Aber das ist ja ganz schön viel Zeugs, den ihr da mit euch rumtragt. Ist das
nicht sehr schwer?“
Pilger
3:
„Keine Sorge, ist natürlich alles ultraleicht, extra für solche
Fernwandertouren hergestellt.“
HM: „Und
bestimmt nicht billig! Aber wenigstens könnt ihr ja auf der Tour kostenlos in
den Herbergen übernachten.“
Pilger
2:
„Wie kommen Sie denn auf diese Idee?“
HM: „War
das nicht früher so, dass man als Pilger immer kostenlos Unterkunft und Essen
bekommen hat? Für eine Nacht natürlich nur.“
Pilger
3:
„Lach, nein, die Zeiten sind lange vorbei.“
Pilger
1:
„Heute gibt es ein gut ausgebautes Netz von Herbergen. Kirchliche und private.
Aber beide kosten natürlich.“
Pilger
2: „Genau,
für eine Nacht zahlt man zwischen 5 und 15 Euro. Essen kostet extra.“
Pilger
3:
„Wobei man bedenken muss, dass das immer noch sehr günstig ist im Vergleich zu
einem Urlaub am Meer. Und die Betreiber der Unterkünfte sind auf den Verdienst
durch die Pilger angewiesen. In Nordspanien gibt es sonst nicht viel Arbeit für
die Bewohner.
HM: „Ach,
da hat sich ja einiges verändert seit den Anfängen der Wallfahrten. Früher war
das alles anders.“
Pilger
2:
„Jaja, früher hatten wir auch eine Kaiser. Aber jetzt müssen wir langsam los,
ich möchte es heute noch über die Pyrenäen schaffen.“
Pilger
3:
„Genau, auf geht’s. Das wird ein Spaß!“
Pilger
2:
„Einen schönen Tag wünschen wir Ihnen, Herr Meier. Vielleicht sehen wir uns in
Santiago de Compostela und erleben die Pilgermesse zusammen.“
HM: „Pilgermesse?“
Pilger
1:
„Na klar, die jeden Tag zu Ehren der ankommenden Pilger veranstaltet wird. Ein
Riesenspektakel. Aber kommen Sie doch auch, dann werden Sie’s schon sehen. Die
soll noch genauso ablaufen, wie damals im Mittelalter.“
HM: „Das
mache ich. Buen Camino!“
Pilger
3:
„Buen Camino!“
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