Donnerstag, 22. November 2012

Wie man's macht...

...macht man's falsch?

Seit zwei, drei Wochen denke ich ab und zu daran, ob die Entscheidung die Philo-12er ins Examen mitzunehmen, die richtige Entscheidung ist. Nicht wegen der Schüler. Die freuen sich größtenteils darauf. Zumindest die, die ich bereits im letzten Jahr unterrichtet habe. Seit ein paar Wochen sind ein paar Schüler aus dem Parallelkurs hinzugekommen, die ich noch nicht so recht einschätzen kann. Sie bereichern den Kurs zumindest nicht mit Intelligenz und rascher Auffassungsgabe. Aber damit könnte ich auch leben.

Mein Problem ist eher - mal wieder - Franz. Und heute erreichte das dann seinen Höhepunkt. Nicht im Sinne eines Streits mit ihm, sondern eher indirekt. Ich hatte nämlich wieder seinen 10er-Kurs im Unterricht. Ich komme also im Raum an und teile den Schülern mit, dass Franz später kommt. Daraufhin meldeten sich gleich drei Mädels, die mich fragten, ob sie mal mit mir über Franz sprechen könnten. Ich ahnte bereits, worauf das hinauslaufen sollte, habe es aber zugelassen. Und so durfte ich mir anhören, dass sie sich von ihm ungerecht behandelt fühlen, er sie ständig kollektiv bestraft, sie zwar wissen warum, es aber nicht fair finden. Nun ist ja klar, dass Schüler sich eigentlich immer irgendwie ungerecht bestraft fühlen, aber in dem Falle konnte ich das ganz gut nachvollziehen. Vorneweg: es handelt sich um einen zwar lieben, aber auch sehr unruhigen Kurs. Das führte nun schon ein paar Mal dazu, dass ich sie unterrichtet habe und Franz irgendwann aus der letzten Reihe lautstark zu schimpfen begann, Strafarbeiten androhte oder verteilte. Regelmäßig verspricht er mir, sich in der folgenden Stunde zurückzuhalten, es dann aber nicht aushält. Wir haben da eine sehr unterschiedliche Toleranzgrenze, was das angeht. Vor allem, weil ich ihm regelmäßig erkläre, dass meine Taktik eher darin besteht, die Unruhe auszusitzen und sie nach und nach mit spannenden Themen ruhiger zu bekommen. Ob das funktioniert - keine Ahnung. Ich weiß aber, dass ich in meinem Kurs noch nie böse geworden bin und bis auf ein paar Hanseln alle ruhig sind, arbeiten und wir ein wirklich gutes Kursklima haben. Diese Intervention dauerte dann 15 Minuten, ich fragte sie, ob sie ihm das nicht mal selbst erzählen wollen und begann dann mit dem Unterricht. Und bis auf die letzten fünf Minuten war's ein wirklich gutes Arbeiten. Franz kam irgendwann auch dazu und erzählte mir danach, dass ihm die Arbeitsathmosphäre heute gut gefallen hat. Nun musste ich ihm aber trotzdem von diesem Gespräch erzählen, woraufhin er als erstes fragte, ob die Schüler fachlich unzufrieden sind oder auf sozialer Ebene. Natürlich nicht auf fachlicher Ebene. "Dann ist's ja gut! Weißte J., die wollen dich nur einlullen, weil sie wissen, dass du auf jeden eingehst. So idealistisch war ich auch mal, das hört bei dir auch auf!" Auf meine Antwort, dass ich es an seiner Stelle schon ernst nehmen würde, wenn Schüler mir erzählen, dass sie sich wie Hunde behandelt fühlen, antwortet er, dass er dann ja in der nächsten Stunde Hundefutter mitbringen könnte. 

Nun ist das für ihn sicherlich auch eine komische Situation, weswegen ich solche Kommentare als Selbstschutz betrachte. Ein Lehrer, der sich von der Referendarin erklären lassen muss, was seine Schüler von ihm denken. Zumal - und jetzt komme ich zu meinem Examensproblem - am Dienstag auch schon die 12er zu mir kamen und mir ähnliches erzählten. Ich unterrichte die ja nur alle zwei Wochen und am Dienstag hatten sie mit Franz alleine. Auf meine Nachfrage, was denn los gewesen sei, meinten sie, er hätte sie eine Strafarbeit schreiben lassen, weil ihm ihr Verhalten in meinem Unterricht letzte Woche nicht gepasst hat.

Nun kann ja jeder Lehrer mit seinen Schülern umgehen, wie er will, was mir egal sein könnte. Wenn ich nicht Angst hätte, dass er ihre Lernbereitschaft bis zum Februar völlig untergraben könnte, indem er alle zwei Wochen zetert und schimpft. Denn schlussendlich läuft's darauf hinaus: entweder die Schüler sind dann so froh, wenn sie bei mir Unterricht haben (was aber nicht dauerhaft funktioniert, wenn sie in der nächsten Woche von ihm eins auf den Deckel bekommen) oder sie nehmen irgendwann eine Nullbockhaltung ein. Dann wird's im Examen aber sehr schwierig. Gerade weil es eben kein Deutsch-LK ist, wo jeder alleine schon wegen des bevorstehenden Abis halbwegs aufmerksam sein muss, sondern ein Nebenfach, in dem grad mal zwei Schüler geprüft werden. Die anderen 18 Schüler müssen aber nur durchhalten und keine 5 bekommen, mehr nicht.

Hinzu kommt mein Wissen aus der Erfahrung, dass eine Stundenvorbereitung für eine Lehrprobe (oder dann für's Examen) mit Franz ziemlich anstrengend ist, weil er so pingelig ist, dabei aber auch so furchtbar zerstreut und verpeilt. Zugegeben, fachlich ist er ja nicht blöd, aber authentischer Unterricht ist es dann für mich auch eher selten. Hier weiß ich gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Wir verstehen unter Philosophieunterricht eben immer noch etwas ganz anderes. Wo ich der Meinung bin, dass Schüler auch mal selbst philosophien sollen, hält er sich konsequent an die Textanalyse, über den kann dann gerne im Anschluss diskutiert werden. Bspw. war er mit dem Gerichtsprozess "Gibt es Sie, Mr. Johns?" nicht wirklich zufrieden, weil es kein philosophischer Text ist. Dass dieser Text aber zum Selbst-Philosophieren anregt, will oder kann er einfach nicht verstehen. 

Zusammengefasst gibt es also zwei Probleme: die drohende Demotivation der Schüler mit Blick auf den Philosophieunterricht und die drohende Auseinandersetzung bei der Stundenplanung.

Positiv an den 12ern im Examen ist aber eben auch seine Pingeligkeit und sein Fachwissen sowie - und das ist fast wichtiger - es ist einfach beeindruckender einen 12er_krus zu zeigen, der kurz vorm Abi steht.

Die Alternative wäre mein 10er-Kurs. Und die alleinige Planung fürs Examen. Allerdings hat das in Geschichte ja auch ganz gut funktioniert...

Nur, wie sag ich Franz das? Wäre das wirklich die richtige Entscheidung oder soll ich doch in den sauren Apfel beißen? Immerhin droht auch die Gefahr, dass mein 10er-Kurs in einer Prüfungssituation nicht funktioniert. Ich hatte da ja keine Lehrprobe und kann das schlecht abschätzen.

Vorläufiger Lösungsweg: Ich habe gerade meinem Fachseminarleiter angeschrieben, der ja auch mit ins Examen geht, und gefragt, ob er sich mal mit mir zusammensetzt und sich das Für und Wider anhört. Ich befürchte zwar, dass er sagt, ich muss mich so entscheiden, wie ich mich wohler fühle, aber dann muss ich ihn eben bequatschen, dass er mir eine handfestere Antwort gibt. Tendiere ich dann allerdings zu einem Kurswechsel, würde zwangsweise noch eine Art Lehrprobe folgen, um zu sehen, wie die 10 dabei funktioniert und ob die "tauglich" sind.

Diese Gedanken machen mich grad ein bisschen irre. Da hat man scheinbar schon seit Monaten alles fest im Kopf, gerät es plötzlich ins Wanken. Aber will ich mir ernsthaft von einem Lehrer helfen lassen, der nicht nur unter dem Philosophieunterricht an sich etwas ganz anderes versteht als ich, sondern auch noch sozial so inkompetent ist?!

Mittwoch, 21. November 2012

11/11 - Das Beste zum Schluss


Soooo, da sim ma wieder :-) Die elfte und letzte Lehrprobe ist geschafft. Und wie man dem Video evtl. (natürlich nur mit viel Interpretationsgeschick) entnehmen kann, lief die auch gar nicht mal so schlecht. Um's kurz zu machen (von wegen): ich bin so stolz auf meine Klasse!

Hier muss man vorausschicken, dass ich am Montag einen Anruf von einer mir bis dato unbekannten Lehrerin erhielt, die mir mitteilte, dass die 7. Jahrgangsstufe am Mittwoch den ganzen Tag mündliche Englischprüfungen haben. Es wäre ja vielleicht ganz interessant für mich, das zu wissen, da ich Mittwochs bei denen Unterricht habe. Als ich erwähnte, dass ich nicht nur Unterricht, sondern auch eine Lehrprobe an diesem Tag habe, war's erst mal nen kurzen Moment ruhig am Telefon. Das Ende vom Lied: man setzt die mündlichen Prüfungen für diese 45 Minuten aus, aber in der ersten Stunde und auch direkt danach finden die Prüfungen statt. Yeah, dachte ich, da ist die Klasse bestimmt total konzentriert und aufmerksam...

Die Überraschung: sie waren's wirklich! Am Ende hat's sogar ein bisschen geholfen, weil ich so in den zwei Gruppenarbeitsphasen der Stunde immer sofort gemerkt habe, wenn sie mit der Aufgabe fertig waren und untereinander englisch sprachen :-) Lustig war's, als der Direktor in einer der Phasen rumging und den Schülern über die Schulter schaute und einer Gruppe zuflüsterte: "Seid ihr immer so ruhig?" Da ich fast danebenstand, habe ich das Antworten übernommen und ein beherztes "Aber natürlich!" eingeworfen, woraufhin selbst er lachen musste. Auch interessant, eine Äußerung einer Schülerin, die meinte, als ich bei ihrer Gruppe nach dem Rechten fragte, dass sie heute doch wirklich sehr fleißig wären, "nicht so wie beim letzten Mal". Da ich davon ausgegangen bin, dass die beim letzten Mal so unruhig waren, weil meine Stunde so schlecht geplant war und die einfach nicht wussten, was sie machen sollen, erwiderte ich "Ja, das lag beim letzten Mal aber auch an mir." Sie schlägt daraufhin die Augen nieder und schüttelt stumm mit dem Kopf. Nu fänd ich's ja schon ganz interessant, was dann das Problem war. Aber ich fand's lieb, dass sie so ehrlich war. 

Nun findet die Nachbesprechung mit meinem Fachseminarleiter zwar erst nächsten Montag statt, aber für einen kurzen Plausch hatte er dann doch noch Zeit. Und diesem konnte ich eben auch entnehmen, dass er's gut fand. Er kam nämlich mit den Worten zum Lehrerpult, als ich grad meine Tasche packte, "Frau W., ich bin froh, das gesehen zu haben!". Auf meine Nachfrage, ob das gut wäre, bejahte er es vehement. Alles was in der letzten Stunde falsch lief, hätte ich heute richtig gemacht und wenn ich so ins Examen ginge, würde er sich überhaupt keine Sorgen machen. Auch unsere Ausbildungskoordinatoren war dabei und fand die Stunde super: "Auch in dieser Stunde hat mich, genau wie das letzte Mal in Philosophie, das hohe Niveau des Unterrichts und der Schüler sehr überrascht!" Ich solle auch nicht alles auf die Schüler schieben, es läge nicht nur daran, dass die so lieb und folgsam seien. Nur hätte sie dieses Mal gemerkt, dass ich bei Nervosität dazu neige unsauber zu sprechen. Und nu fand sie's gar nicht witzig, als ich von der Mannschaft des Kolumbus sprach und das Wort "Schifffahrtskollegen" benutzte. Eben weil mir Matrosen nicht einfiel. Das wiederum finde ich nun weniger tragisch. Aber ich müsse doch ein Vorbild sein, sonst schreiben die Schüler das auch in Arbeiten. Nun ja...

Mit dem Direktor hatte ich direkt im Anschluss Nachbesprechung und natürlich hatte auch er etwas zu meckern. Aber es war das erste Mal, dass die Aufzählung der positiven Dinge fast ein bisschen länger dauerte, als die negative Auflistung. Schlussendlich war's auch nur ein Kritikpunkt, den er loswerden wollte und in diesem Punkt gebe ich ihm auch recht. Hab ich einfach was vergessen. Passiert. Er findet das generell auch nicht tragisch, aber im Examen würde wegen so etwas die Grenze zwischen sehr guter und "nur" guter Stunde gezogen werden. Wenn das im Examen aber mein einziges Problem ist, kann ich damit leben. 

Nun wartet zwar noch ne halbe Flasche Sekt auf mich, aber leider wird die Feierstimmung ein bisschen getrübt, weil ich noch zwei Stunden für morgen planen muss. So was doofes aber auch! Aber gut, gibt Schlimmeres! Vor allem, weil ich in meinem EF-Kurs morgen mit einem Witz einsteige: "Warum ist der Elefant groß, grau und faltig?" "Weil er, wenn er klein, weiß und rund wäre, eine Aspirin wäre." Nun überlegt mal, was das mit Philo zu tun hat ;-)

Sonntag, 18. November 2012

kurzer Zwischenstand

1. Ich hasse Lehrproben-Vorbereitungen! Bilanz des Wochenendes: drei Stundenvarianten zu ein und demselben Thema und immer noch nicht ganz fertig,

2. Alexandria hat leider abgesagt, weil die Stelle für eine verbeamtete Lehrerin ausgeschrieben wird :-(,

3. Der Crashkurs am Freitag war nicht so aufregend, wie ich dachte (und wie er angekündigt wurde),

4. dafür hat sich eine Schülerin als kleine Angelina Jolie geoutet: sie möchte später Kinder adoptieren. Auf meine Nachfrage, warum sie keine eigenen haben möchte (und einem kurzen Moment der Angst, dass sie schon in jungen Jahren wissen könnte, dass sie keine bekommen kann), die Antwort, sie wolle aber so gerne ein schwarzes und chinesisches Baby... (wohlgemerkt hat das bei ihr wirklich nicht mit Hilfe für Entwicklungsländer zu tun, sondern alleine den Grund, dass sie so süß wären),

5. Der Termin für das Auswahlverfahren des Deutschen Auslandsschuldienstes ist jetzt amtlich und am 19.12. - bin ich gespannt!

6. Ich mache drei Kreuze, wenn der Mittwoch rum ist und ich mich voll und ganz auf das Erste-Advent-WE freuen kann :-)

Donnerstag, 15. November 2012

Es gibt noch Hoffnung!


Ums kurz vorweg zu schicken. Falls ich hier irgendwie was doppelt erwähne, liegt das daran, dass mich langsam diese typische Schusseligkeit der Lehrer überkommt - was fand ich die als Schülerin nervend! Aber ich hoffe, dass es sich bisher auf die Geschehnisse außerhalb des Unterrichts beschränkt...

Jedenfalls ist es mit meiner 5. in Praktische Philosophie ja nicht so einfach, wie ich mir das zu Beginn vorgestellt habe. Da werden Wortbedeutungen nachgefragt, auf die ich nie gekommen wäre und so natürlich auch keine Probleme erkannt, über die man sprechen muss. Die Alternative ist dann ein Unterricht, den ich nie machen wollte: Arbeitsblätter zum Thema "Meine Stärken - Meine Schwächen" *gähn* Ich bin doch keine Lebensberaterin! Bisher habe ich beide Wege ausprobiert, den philosophisch angehauchten und eben diesen langweiligen. Nur, wie kann ich Schüler von Praktischer Philosophie überzeugen, wenn ich darüber rede, dass man andere Schüler nicht beleidigen darf. Wir sind doch nicht mehr im Kindergarten, mit Philosophie hat's auch eher nix zu tun. Egal. Nun habe ich heute einen erneuten Versuch gewagt, die Kinder für ein philosophisches Problem zu begeistern. Kurz als Erklärung: wir müssen verschiedene Fragekreise behandeln, z.B. Mein Leben und ich. Die langweilige Schulbuchvariante schlägt dann eben solche Arbeitsblätter vor, wie oben genannt. Ich habe jedoch ein Märchen gefunden, in dem Prinzessin Jaja von einer bösen Hexe verflucht wird, ohne Mann zu bleiben, bis sie die sinnloseste Frage findet und die dann auch noch beantworten kann. Diese Frage findet sie dann auch, kann sie aber nicht lösen: Wie kann Prinzessin Jaja beweisen, dass sie existiert? Nun sollten die Schüler ihr helfen, diese Frage zu lösen. Und tatsächlich kamen sie auf die - kindgerechten - Antworten: sie fühlt und sie hat Sinne. Beides muss man doch haben, wenn man exisitiert. Fehlt nur noch, dass sie denken kann. Aber dass sie darauf nicht gekommen sind, sei ihnen verziehen. Mitten in der Phase der Spekulationen und Diskussionen, die die Schüler in Gruppen führen durften, kommt eine Schülerin zu mir: "Frau W., ich habe mit meinem Papa mal eine Dokumentation gesehen, da hat Stephen Hawking - den kennen Sie doch auch, oder? - gesagt, dass es sein kann, dass wir alle nur Gehirne in Gläsern wären." Ich bin fast umgefallen! Denn diese "Gehirn im Tank"-Theorie habe ich vor drei Wochen noch mit meinen 10.Klässlern besprochen! Dass eine Fünftklässlerin solche Dokus schaut und sich das auch noch merkt, fand ich großartig! Nun haben die umsitzenden Schüler natürlich aufgehorcht und wollten wissen, was es mit dieser Geschichte auf sich hat. Hab ich sie ihnen in Kurzform erzählt, was totale Verwirrung, Erstaunen und noch viel mehr Fragen aufgeworfen hat. Aber genau das ist in Philosophie ja ein total guter Weg! Ich habe sie dann vertröstet, dass wir dieses Problem nach dem Märchen gerne besprechen können. Schlussendlich sind sie aber heute alle völlig durch den Wind aus dem Unterricht gegangen und ich freu mich wie verrückt, weil ich wetten könnte, dass das bei einigen heute Abend am Esstisch Thema sein wird. Wie die Eltern wohl auf sowas reagieren?

Und wen es interessiert, das Märchen bietet die Ausgangslage für zwei Themen: was macht den Mensch zum Menschen oder aber - um beim Gehirn im Tank zu bleiben - wie wirklich ist die Wirklichkeit? Bin ich mal gespannt, für welches der beiden Themen sich die Kids entscheiden, wenn sie wählen dürfen.

Sonntag, 11. November 2012

Der arme Regenwald

Um mal so nen ungefähren Einblick zu bekommen, mit wie viel Papier man als Referendar zu tun hat:

Für 8 doppelte Unterrichtsstunden, die ich in der kommenden Woche halten muss, habe ich gerade 21 Arbeitsblätter vorbereitet. Von denen muss ich morgen insgesamt 508 Kopien machen, damit jeder Schüler etwas davon hat. Wenn ich Glück (oder langsame Schüler) habe, reichen die Blätter auch für 10 doppelte Stunden. 

Doof nur, dass wir von der Schule nur 2000 Kopien pro Halbjahr gestellt bekommen. Das heißt für mich, dass ich morgen bereits zum zweiten Mal in diesem Schuljahr mit Kopierpapier aufschlagen darf, damit mein Kopierkontingent wieder aufgestockt wird.

Zum Geburtstag habe ich von meinem Gas- (oder Strom-?) Lieferanten einen Baum geschenkt bekommen. Ich schätze, der macht's bei mir nicht lang...

Samstag, 10. November 2012

Tränen, Unfälle und Eltern


Was tut man, wenn Fünftklässler mit ihren großen braunen Augen vor einem stehen und man ganz genau sieht, wie das Wasser in eben diesen Kulleraugen immer höher steigt? Furchtbare Situation! Da bricht einem das Herz, vor allem, wenn man nicht helfen kann :-( So geschehen gestern in meiner 5. Klasse. Da begann der Unterricht nämlich mit einer Erzählung, dass es am vorigen Tag einen Streit zwischen einer meiner Schülerin und einem meiner Schüler gab. Erst schubst sie ihn mithilfe ihrer Freundinen auf den Boden, woraufhin er sie anspuckt. Das ganze natürlich begleitet von wüsten Beschimpfungen. Und das alles muss in meinem Unterricht natürlich noch mal ausgetragen werden, da es am Freitag die erste Stunde war und es wohl einfach raus musste. Aber was soll ich da machen? Ich war nicht dabei, jeder beschuldigt jeden und am Ende sogar Tränen. Übrigens hat der Junge geweint, nicht das Mädchen. Schlussendlich werden sie wohl beide ihren Teil dazu beigetragen haben. Mehr als reden konnte ich in diesem Moment leider nicht. Bin mal gespannt, wie das ausgegangen ist. Am Nachmittag war Elternsprechnachmittag, dort wollte man das mit den zuständigen Klassenlehrerinnen klären. Bin ich froh, dass ich eben keine Klassenlehrerin bin. Mit sowas wäre ich ja völlig überfordert, weil mir beide leid tun und ich niemanden schimpfen möchte. Die sind einfach noch so klein und niedlich, dass man sich gar nicht vorstellen kann, welche Biester bereits in ihnen schlummern.

Mittags dann eine Besprechung zum Crashkurs, der nächste Woche für 10.Klässler stattfindet. Veranstaltet wird das Ganze von der Polizei und Ziel des Ganzen ist, dass den Schülern klar wird, dass sie mit unvorsichtigem Verhalten im Straßenverkehr nicht nur sich gefährden, sondern auch anderen Menschen wehtun. Nun kam man auf die glorreiche Idee, dass das Ganze von den Philosophie- und Religionslehrern vorbereitet, begleitet und aufbereitet werden soll. An sich ne prima Sache. Aber warum bitte schön, kann man das nicht früher ankündigen?! Jetzt haben wir nächste Woche gerade mal eine Stunde, um genau zu sein ist es sogar die vorletzte Stunde vor der Klausur. Dilemma: was ist wichtiger, Crashkurs oder Klausur? Beides ist thematisch meilenweit voneinander entfernt. Dass ich keine Ahnung habe, wie man so etwas am besten durchzieht, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen. Es heißt, die Schüler sind mitunter sehr verstört nach dieser Veranstaltung, weil sie wohl mit ziemlich fiesen Bildern konfrontiert werden. Außerdem sollen sie vorher im Reli oder Philounterricht ihre Lebensentwürfe schreiben, welche dann auf einen großen Ballon geklebt werden. Dieser wird im Laufe des Kurses zerstochen - sinnbildlich gehen also alle Wünsche und Träume fürs Leben flöten. Mal sehen, wie das so wird.

Und am Ende stand dann noch der Elternsprechnachmittag auf dem Plan. Faule Lehrerin, die ich bin, habe ich es geschickt so eingefädelt, dass kein Schüler ankam und einen Termin wollte. Also hatte ich Arbeit und meinen aktuellen Roman dabei, womit ich mir die Zeit vertreiben wollte. Und am Ende? Hab ich mit meiner Ref-Kollegin gequatscht und musste doch mit zwei Eltern reden, die spontan vorbeigekommen sind. Die Mutter eines Siebtklässlers, der auf 2 steht - was soll man da reden?! Und der Vater meines Gedichtschreibers aus der 10. Der steht zwar auf 4, aber schlussendlich konnte ich ihm Hoffnung machen, dass noch nicht alles verloren ist. War ganz interessant, mal zu hören, was Eltern über ihre Kinder erzählen. Da gewinnt man mitunter einen ganz anderen Blick. Gut, ist jetzt auch keine Wahnsinnserkenntnis, aber in dem Fall fand ich's ganz faszinierend, weil der Junge im letzten Jahr wohl nen gewaltigen Sprung von introvertiert zu sozial anerkannt gemacht hat. Und introvertiert kann ich ihn mir nun gar nicht vorstellen. 

Übrigens sind es noch genau 97 Tage bis zum Examen!

Donnerstag, 8. November 2012

Das hat man nun davon!


Da will man ausnahmsweise mal einen Gedanken seines Ausbildungslehrers aufnehmen und tappt prompt in die Falle! 

Gestern schaute mein Ausbildungskurs (also eigentlich Franz' Kurs) "Matrix" zu Ende. In den Abspann hinein, sagt Franz zu den Schülern "Wer mir sagen kann, welche Band im Abspann zu hören ist, bekommt einen Notenpunkt mehr in der Quartalsnote." Natürlich wusste es keiner! Heute dann das Ende von "Matrix" mit meinem Kurs gesehen und spontan erzähle ich, was Franz seinem Kurs angeboten hat und das wir das doch der fairneshalber auch machen können. Bin natürlich davon ausgegangen, dass es auch hier niemand weiß. Den Versuch mittels Musikerkennung auf dem Handy die Lösung zu finden, habe ich selbstverständlich unterbunden. Und trotzdem: da meldet sich ein Schüler von dem ich niiiieeee gedacht hätte, dass der solche Musik auch nur kennt und sagt die richtige Antwort. Nun ja, da konnte ich dann halt auch nicht mehr zurückrudern und so freut er sich, dass er statt einer 4+ eine 3- im Quartal bekommt.

Und das nur, weil man solche dummen Ideen seines Ausbildungslehrers aufgreift... ;-)

PS: Jetzt stritt ich mich ja fast mit Franz, um welches Lied es sich im Abspann genau handelt. Er meinte "Killing in the name of", woraufhin ich ihn darauf aufmerksam machte, dass in dem Fall aber das penetrante "Motherfucker" im Lied fehlen würde und davon überzeugt war, dass es sich um "Bombtrack" handelt. Nun höre ich es und denke, nee, irgendwie passt das auch nicht. Einmal googlen hilft, es handelt sich um "Wake up". Davon gibt's allerdings kein gutes Video im Netz.

Dienstag, 6. November 2012

Selbsteinschätzung

Nun hat sie wieder begonnen: die Phase, in der man den Schülern die Quartalsnote mitteilen muss. Referendare haben allgemein die Angewohnheit, in dieser Zeit Formulare auszuteilen, auf denen die Schüler ihre Mitarbeit selbst einschätzen müssen. Hilft vor allem den überforderten Referendaren, die a) super unsicher bei der Leistungseinschätzung und b) froh sind, wenn sie den jeweiligen Namen im Kursheft auch das richtige Gesicht zuordnen können ;-) In Philo reicht natürlich ein doofes Formular nicht aus - immerhin gehört eine lückenlose und logische Argumentation zum Unterricht - so dass sie einen kleinen Aufsatz schreiben müssen. In diesem sollen sie eine These aufstellen (ich verdiene die Note X), diese mit Argumenten untermauern (weil ich immer die Hausaufgaben mache, ist z.B. kein gültiges Argument) und bei Bedarf mit Beispielen die Argumente stützen sollen. Eine sehr amüsante Angelegenheit für mich. So habe ich heute meine 10er einschätzen lassen und einige sehr interessante "Aufsätze" bekommen:

a) Ich würde mir für meine mündliche Mitarbeit die Note 2- geben, da ich den Unterricht mit ausschließlich konstruktiven Kommentaren bespicke. Doch woher ist etwas als konstruktiv einzuschätzen? Dies zu tun bedarf des notwendigen Wissens. Doch woher können wir wissen, dass das Wissen eines Dritten ausreicht, um Gesagtes als konstruktiv zu bewerten? Man könne also sagen, dass diese Problemfrage, die sich hier gerade entwickelt, und mich irgendwie vom eigentlichen Thema abkommen lässt, durch Unwissenheit zu lösen wäre. Denn Unwissenheit ist ein Segen, denn die Unwissenden müssen sich nicht mit den Problemen der Wissenden befassen, da diese sich durch ihr Wissen auf die Problematik ihrer Umwelt befassen. Ich weiß, ich bin etwas vom Thema abgekommen, doch ich wollte diesen Gedanken loswerden. So, zurück zur Einschätzung meiner Leistung. Zur Einschätzung meiner mündlichen Leistung kann ich nur sagen, dass ich mehr zum Unterricht beitragen kann bei Themen, die sich in meinem Gehirn wie ein Keim einpflanzen und heranwachsen. Es mag vielleicht auch nur an meinem Wesen liegen, dass ich eher still bin und mich eher zurückhalte, da oftmals die Gedanken eher zynisch oder sarkastisch sind. Naja, jetzt wissen Seie über meine eigene Einschätzung Bescheid.

Nicht, dass die Argumentation lückenlos und logisch wäre, aber ich habe es erst mal ganz fasziniert gelesen. Vor allem, weil er Themen aufgreift, die wir in den letzten Stunden besprochen haben. Eine 2- wird's wohl trotzdem nicht werden. Aber schlechter als eine 3 bekommt er alleine für diese Ausführungen nicht :-)

b) Ich schätze mich so auf 2-3. Am liebsten hätte ich ja die 2, da mein Bewusstsein mir sagt, dass ich eine 2 verdient habe und was anderes zählt gar nicht, weil es nicht existiert :-)

Hier kommt das Stundenthema ganz deutlich zum Vorschein. Btw. haben wir heute sehr viel gelacht. Problemfrage der Stunde war "Können wir uns nur über das Innere unseres Bewusstseins sicher sein?" Nun gibt es eine Schülerin, die solche skeptischen Gedanken kaum an sich ranlässt und immer dagegen argumentiert. Das ist auch überhaupt nicht schlimm, weil es wie gesagt, auf die Argumentation ankommt. Jedenfalls fing sie an sich an ihre Banknachbarin und gute Freundin zu schmiegen und meinte, sie fühle doch, dass ihre Freundin da wäre und sie empfinde auch Schmerzen, wenn sie ihr weh täte. Nun konnte die Diskussion dahin gelenkt werden, dass der Tastsinn und das Schmerzempfinden ja auch nur über unser Bewusstsein zu uns kommt. Ja, aber wie es denn sein könne, dass ihre Freundin und sie diesselben Sachen sehen würden. Da musste ich ihr mitteilen, dass es ihre Freundin nach dieser These gar nicht gäbe, weil sie nur in ihrem Geist existiert. Aber Frau W., Sie zerstören hier eine zehn Jahre andauernde Freundschaft! Ja, sag ich, in deinem Geist könnt ihr ja auch noch die nächsten 10 Jahre befreundet sein :-)

c) Sehr geehrte Frau W., ich denke, dass eine 1 oder 2 durchaus gerechtfertigt wäre, da ich mir jede Stunde die Mühe mache mindestens ein Gedich zu schreiben. Dies reizt meinen Intelligenzquotienten von 153 völlständig aus. Abgesehen davon, beteilige ich mich regelmäßig im Unterricht mit äußerst hilfreichen Beträgen. Das ist nicht zu bestreiten. Um zu den Gedichten zurückzukommen; wir wissen beide, wie begeistert Sie davon sind. Ich habe es zwar bedauerlicherweise versäumt, mein Stundenprotokoll abzugeben, doch durch meine hervorrragende mündliche Mitarbeit ist dies zu entschuldigen. Anzumerken ist außerdem, dass der Philosophieunterricht mir sehr viel Freude bereitet. Aus diesen Gründen, denke ich, dass meine Note zwischen 1 und 2 einzuordnen ist. Mit freundlichen Grüßen xy

Nur so zur Info, er bekommt ne 4+. Und das Plus ist tatsächlich seinen Gedichten geschuldet ;-)

d) Ich hätte gerne eine 1+, weil ich
1. ein Mensch bin
2. Menschen gute Noten wollen
3. also ich eine gute Note will.
Desweiteren habe ich eben erfahren, dass ich nur weiß, dass mein Bewusstsein existiert. Und da mein Bewusstsein vielleicht nur als einziges in der Welt existiert, michh ich mich wohl fragen: Wer, wenn nicht ich, als einziges von mir anerkanntes lebendiges Wesen, hätte einen Eins in Philosophie verdient?
Schlussfolgerung: Ich will eine gute Note. Eine gute Note wäre z.B. eine 1, und da ich als einziges auf dieser Welt existiere, gebe ich mir diese Note.
(Außerdem, wenn schon mein Bewusstsein mich die Schule und sogar meine Philosophielehrerin erschafft, kann mir mein Bewusstsein auch eine 1 geben)

Sie hat das Problem zumindest verstanden.

Ansonsten natürlich die immer wiederkehrende Begründung: ich verdiene eine 2, weil ich immer die HA mache, die schriftlichen Aufgaben bearbeite und nicht störe. Als ob das eine gute Note rechtfertigen würde. Das verstehen sie leider noch nicht. Aber ich mache mir ausnahmsweise die Mühe und schreibe jedem, warum er/sie die jeweilige Note bekommt und was er/sie tun muss, um sich zu verbessern. Mal sehen, ob das dann ankommt. Wobei - mein Kurs ist wirklich bemüht und lieb. Heute habe ich auch erfahren, warum das so ist. Von 20 Schülern kommen mindestens 7 frisch von der Realschule. Das macht sich ungemein positiv bemerkbar. Die sind einfach viel bemühter, als die, die seit der 5. Klasse durchs Gymnasium gezogen wurden (und mitunter einfach nicht verdient haben).

Montag, 5. November 2012

Was ist der Mensch?

Aus gegebenen Anlass möchte ich jetzt hier und heute mal zeigen, was eigentlich im Philosophieunterricht gelehrt wird. Vor allem, weil es zur Zeit mein Lieblingsfach ist - vorrangig in der 10. Klasse (für die Philo noch ganz neu ist nach dem ganzen Ethikgedöns) - und es ja doch den ein oder anderen Menschen gibt, dem sich der Sinn dieses Unterrichts nicht ganz erschließt (und ich es aber auch immer so schlecht erklären kann - Philosophie kann man nicht erklären, man muss es erleben ;-)). Jedenfalls schließen wir in drei Stunden mit dem Thema Erkenntnis (Was kann ich wissen?) ab und beginnen mit dem nächsten Thema Anthropologie (Was ist der Mensch?). Häufig beginnt man ja mit Herby:


Weil ich das aber bewusst nicht will - denn außer mir versteht ihn ja sowieso keiner - habe ich eine Geschichte gesucht und gefunden, die m.E. nach gut ins Thema einsteigen lässt. Geschrieben wurde sie von Stanislaw Lew, einem polnischen Philosophen und handelt von einem Gerichtsprozess. Titel passend zum Thema "Gibt es Sie, Mr. Johns?". Die Schüler spielen diese Szene zunächst nach und müssen dann in Kleingruppen zu einem einstimmigen Jury-Ergebnis kommen. So werden sie, hoffe ich zumindest, ganz von alleine wichtige Merkmale erarbeiten, die den Menschen ausmachen. Ich freu mich jedenfalls drauf. Und jetzt die - wie ich finde - sehr unterhaltsame Geschichte:



Beteiligte Personen: Richter, Anwalt Jenkins, Beklagter Johns, Donovan

Richter: Das Gericht erörtert nunmehr den Streitfall Cybernetics Company contra Harry Johns. Sind die Parteien anwesend?
Anwalt: Ja, Herr Richter.
Richter: Sie vertreten die Belange...
Anwalt: Ich bin der juristische Bevollmächtigte der Firma Cybernetics Comp., Herr Richter.
Richter: Und wo ist der Beklagte?
Johns: Hier bin ich, Herr Richter.
Richter: Würden Sie Ihre Personalien angeben?
Johns: Gern, Herr Richter. Ich heiße Harry Johns, geboren am 6. April 1917 in New York.
Anwalt: Ein Wort zur Hauptsache, Herr Richter. Der Beklagte spricht die Unwahrheit, er ist durchaus nicht geboren...
Johns: Bitte, hier meine Geburtsurkunde. Und im Saal ist mein Bruder, er...
Anwalt: Das ist nicht Ihre Urkunde, und dieses Individuum ist nicht Ihr Bruder.
Johns: Wessen sonst? Ihrer vielleicht?
Richter: Bitte um Ruhe. Herr Bevollmächtigter, gedulden Sie sich ein wenig. Nun, Herr Johns?
Johns: Mein seliger Vater Lexington Johns hatte eine Autowerkstatt und impfte mir die Leidenschaft zu diesem Beruf ein. Als Siebzehnjähriger nahm ich erstmals an einem Autorennen teil. Seither startete ich berufsmäßig siebenundachtzigmal und habe bis heute sechzehn erste Plätze errungen, einundzwanzig zweite...
Richter: Danke, diese Einzelheiten sind für den Fall unwesentlich.
Johns: Drei Goldpokale, drei Goldpokale...
Richter: Danke, habe ich gesagt.
Johns: Und einen silbernen Kranz.
Donovan, Präsident der Cybernetics Comp.: Da! Er hat sich verklemmt!
Johns: Darauf können Sie lang warten!
Richter: Bitte um Ruhe! Haben Sie einen Rechtsvertreter?
Johns: Nein. Ich verteidige mich selbst. Meine Sache ist so lauter wie Kristall.
Richter: Wissen Sie, welche Forderungen die Cybernetics Company Ihnen gegenüber geltend macht?
Johns: Ich weiß. Ich bin das Opfer der schurkischen Tätigkeit tückischer Finanzhaie...
Richter: Danke. Herr Bevollmächtigter Jenkins, würden Sie dem Gericht den Gegenstand der Klage darlegen?
Anwalt: Sehr wohl, Herr Richter. Vor zwei Jahren erlitt der Beklagte bei einem Autorennen in der Nähe von Chicago einen Unfall und verlor ein Bein. Damals wandte er sich an unsere Firma. Die Cybernetics Company erzeugt bekanntlich Arm- und Beinprothesen, Kunstnieren, Kunstherzen und andere Ersatzorgane. Der Beklagte bezog gegen Teilzahlung eine linke Beinprothese und erlegte die erste Rate. Vier Monate später wandte er sich neuerlich an uns, diesmal bestellte er Prothesen zweier Arme, eines Brustkorbs und eines Genicks.
Johns: Quatsch! Das Genick, das war im Frühling, nach dem Bergrennen!
Richter: Unterbrechen Sie nicht.
Anwalt: Nach dieser zweiten Transaktion belief sich die Verschuldung des Beklagten an die Firma auf 2.967 Dollar. Nach weiteren fünf Monaten wandte sich namens des Beklagten dessen Bruder an uns. Der Beklagte weilte damals im Monte-Rosa-Krankenhaus bei New York. Der neuen Bestellung gemäß lieferte die Firma nach Erhalt einer Anzahlung eine Reihe von Prothesen, deren Einzelaufzählung bei den Akten liegt. Dort figuriert unter anderem als Ersatz für eine Großhirnhalbkugel ein Elektronengehirn Marke Geniox zum Preis von 26.5oo Dollar. Hohes Gericht, bitte die Tatsache zu beachten, dass der Beklagte bei uns die Luxusausführung des Geniox bestellt hat, mit Stahlröhren, farbentreuer Traumbildanlage, Stimmungsentstörer und Sorgendämpfer, obwohl dies die finanziellen Möglichkeiten des Beklagten klar überstieg.
Johns: Freilich, das tät' euch so passen, wenn ich jetzt mit eurem Serienkleinsthirn herumholpern müsste!
Richter: Bitte um Ruhe!
Anwalt: Dass der Beklagte in der bewussten böswilligen Absicht handelte, der Firma die bezogenen Teile nicht zu bezahlen, davon zeugt auch die Tatsache, dass er bei uns keine gewöhnliche Armprothese bestellte, sondern eine Spezialprothese mit eingebauter Schweizer Uhr Marke Schaffhausen mit achtzehn Steinen. Als die Schuld des Beklagten auf 29.863 Dollar angestiegen war, klagten wir auf Rückgabe aller bezogenen Prothesen. Jedoch das Staatsgericht wies unsere Klage mit der Begründung ab, dass ihn der Entzug der Prothesen um das weitere Dasein gebracht hätte. Zu jener Zeit war nämlich von dem ehemaligen Mister Johns nur noch die eine Gehirnhälfte übrig.
Johns: Was heißt ,,ehemaliger Johns"? Wirst du von der Firma für Schimpfwörter bezahlt, Prozessverpfuscher?
Richter: Bitte um Ruhe. Wenn Sie die klagende Partei nochmals beleidigen, Mister Johns, dann werde ich Sie mit einer Geldbuße bestrafen.
Johns: Aber er beleidigt doch mich!
Anwalt: In diesem Zustand, das heißt, verschuldet und prothesenbestückt bis über beide Ohren bei der Cybernetics Company, die ihm so viel Güte bezeigt und im Nu alle seine Wünsche erfüllt hat, begann der Beklagte öffentlich nach allen Seiten unsere Erzeugnisse anzuschwärzen und über ihre Qualität zu meckern. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, nach drei weiteren Monaten bei uns vorzusprechen. Er klagte über eine Reihe von Beschwerden und Gebrechen, die sich, wie unsere Experten feststellten, daraus ergaben, dass sich seine alte Hirnhalbkugel in der neuen, sozusagen zur Gesamtprothese gewordenen Umgebung nicht wohlfühlte. Aus Menschenfreundlichkeit ließ sich die Firma nochmals herbei, die Bitte des Beklagten zu erfüllen und ihn ganz zu genialisieren, das heißt, seinen eigenen alten Gehirnteil durch einen genauen Zwilling des bereits eingebauten Apparats Marke Geniox zu ersetzen. Für diese neue Forderung stellte uns der Beklagte Wechsel auf die Summe von 26.95o Dollar aus, wovon er bis heute lediglich 232 Dollar und 18 Cents bezahlt hat. In Anbetracht des geschilderten Sachverhalts... Hohes Gericht, der Beklagte sucht mir böswillig das Reden zu erschweren, indem er mich mit allerlei Gezisch, Gezwitscher und Geknirsche übertönt. Hohes Gericht, bitte ihn zu vermahnen!
Richter: Herr Johns...
Johns: Das bin nicht ich, das ist mein Geniox. Der macht das immer, wenn ich intensiv denke. Bin ich etwa für die Cybernetics Comp. verantwortlich? Das hohe Gericht kann Herrn Präsidenten Donovan vermahnen, für diese Pfuscharbeit!
Anwalt: Dem geschilderten Sachverhalt entsprechend ersucht die Firma das Gericht, ihrer Forderung stattzugeben und ihr die vollen Eigentumsrechte an dem von ihr hergestellten, hier im Gerichtssaal befindlichen, eigenmächtig aufmuckenden Prothesengefüge zuzuerkennen, das sich unrechtmäßig für Harry Johns ausgibt.
Johns: So eine Frechheit! Und wo ist Johns, Ihrer Ansicht nach, wenn nicht hier?
Anwalt: Hier im Saal ist Johns nicht, denn die irdischen Überreste dieses bekannten Rennchampions ruhen verstreut an verschiedenen Autobahnen in ganz Amerika. Durch ein Gerichtsurteil zu unseren Gunsten wird demnach keine physische Person geschädigt, da die Firma nur das in Besitz nehmen wird, was von der Nylonhülle bis zum letzten Schräubchen rechtens ihr gehört!
Johns: Freilich! In Stücke wollen mich die zerlegen, in Prothesen!
Präsident Donovan: Was wir mit unserem Eigentum tun, das geht Sie nichts an!
Richter: Herr Präsident, ich ersuche Sie höflichst, Ruhe zu bewahren. Danke, Herr Bevollmächtigter. Was haben Sie zu sagen, Mister Johns?
Anwalt: Herr Richter, zu der Hauptsache möchte ich noch bemerken, dass der Beklagte im Grunde genommen gar kein Beklagter ist, sondern ein materieller Gegenstand, der behauptet, sich selbst zu gehören. Da er jedoch in Wirklichkeit nicht lebt...
Johns: Sie, kommen Sie mal rüber zu mir, dann zeig ich Ihnen, ob ich lebe oder nicht!
Richter: Tia... Hm, das ist wirklich ein sehr, sehr merkwürdiger Fall. Hm... […] [Ich bitte die Geschworenen, Ihr Urteil sorgfältig zu bedenken. Die Beweisaufnahme ist hiermit abgeschlossen.]

Donnerstag, 1. November 2012

Jahrestag


Nachdem ich zur Zeit kaum weiß, über was ich schreiben soll, ist heute aber mal wieder ein konkreter Anlass gegeben. Denn heute vor einem Jahr begann mein Referendariat. Kaum zu glauben. D.h. ich bin jetzt seit knapp 13 Monate in Aachen und zumindest so etwas ähnliches wie eine "richtige" Lehrerin :-)