„Wenn wir unsere Nahrungsgewohnheiten nicht ändern, wie können wir dann jene Sklavenhalter verurteilen, die ihre eigene Lebensweise nicht ändern mochten?“ (P. Singer)
Bevor die Erinnerung daran verblasst, möchte ich die Ereignisse rund um meinen ersten Unterrichtsbesuch festhalten, den ich gestern über die Bühne gebracht habe.
Eigentlich beginnt die Geschichte schon früher, nämlich am vergangenen Samstag, als ich der Fachlehrerin der Klasse meinen Stundenentwurf zugeschickt habe - und darauf keine Reaktion erhielt. Super! Dachte ich, okay, dann mach ich einfach mein Ding. Am Dienstag Nachmittag fiel ihr dann doch ein mit mir darüber sprechen zu wollen, leider ohne ein konstruktives Ergebnis hervorzubringen. Da fielen dann Sätze wie "Also, wenn das meine Stunde wäre, würde ich das nicht so machen." und "Mach wie du denkst." und "Ich sag dir auch nicht, wie ich es machen würde, weil du das ja eh nicht gut findest." Kann mir mal bitte jemand sagen, wie man damit umgehen soll?! Davon mal abgesehen, dass die Frau ein wahnsinnig gutes Bild von mir haben muss, wenn sie solche Äußerungen von sich gibt...
Jut, ich also nach Hause, natürlich voller Selbstzweifel und die Stunde komplett umgeschmissen. Nicht, dass ich konkrete Tipps bekommen hätte, aber die Zweifel an der geplanten Stunde waren immerhin so groß geworden, dass ich von vorne begonnen habe. Nachdem ich Helene gefühlte 125 Mails samt Anhang geschickt habe, mit Fragen wie "Meinst du, die lesen das in 10 Minuten?" u.ä., war ich gegen 21 Uhr fertig (im wahrsten Sinne), hab noch grob die Geschichtsstunde für heute geplant und bin nach zwei Gläsern Rotwein ins Bett.
4.45 der Blick auf den Wecker...klingelt erst eine Stunde später...was mach ich so lange?! Grübeln natürlich. Irgendwann war's dann aber auch so weit, ich in der Schule und der Seminarleiter samt Ako im Klassenzimmer. Ich habe den Schülern zuerst ein Bild von Sklaven und Sklavenhaltern gezeigt: "oh, die tun mir leid" und "Sklavenhaltung ist böse" etc. und dann das Zitat von Singer aufgedeckt. Ziel der Stunde war Singers Argumentation nachzuzeichnen bzw. zu prüfen, was wirklich gut geklappt hat. Am Ende dann die Frage, ob sie jetzt Vegetarier werden, die durchweg negativ beantwortet wurde, auch wenn sie Singers Argumentation schlüssig fanden. So eine Reaktion wird vom Seminarleiter übrigens so gewertet, dass die Schüler sich nicht unter Druck gesetzt fühlen, eine gute Atmosphäre herrscht und sie sich trauen ihre wahre Meinung zu sagen, auch wenn die Lehrerin vielleicht etwas anderes erwartet.
Kurzum. Beide, Ako und Seminarleiter, waren begeistert! Erst Recht nach der Frage, ob ich Hilfe beim Erstellen der Stunde hatte, die ich ja verneinen konnte. Dafür habe ich mich mal gründlich ausgekotzt, was (leider) zur Folge hat, dass der Seminarleiter jetzt mit meinem Philo-Lehrer redet (den er auch ausgebildet hat). Der Seminarleiter findet nämlich, dass ich guten Unterricht mache und dass ich mich ruhig ausprobieren sollte. Und wenn die Methoden meiner Ausbildungslehrer nicht mein Ding sind, dann soll ich sie auch nicht machen. Zitat "Jetzt hören Sie doch mal auf sich zu rechtfertigen, das haben Sie gar nicht nötig!" ABER ich soll auch die Ratschläge meiner Lehrer berücksichtigen, weil man von jedem etwas lernt, im Zweifel von dessen Fehlern. Ich hätte eine provokante Art zu unterrichten, was ihm sehr gefällt, ihm hat die Stunde Spaß gemacht (was selten der Fall ist, laut eigener Aussage) und ich soll mir keine Sorgen machen. So eine Unterrichtsstunde erwartet er nicht am Anfang, sondern im Examen! Was bin ich stolz! Und ich habe das wirklich gebraucht! Endlich mal jemand, der mich als das wahrnimmt, was ich bin und nicht als streitsüchtige, besserwisserische Referendarin, die gegen Ratschläge immun ist.
Die Lehrerin hat mich übrigens nicht gefragt, wie das Gespräch verlief. Ich hab's ihr aber auch nicht erzählt. Ich will da einfach keinen Kontakt mehr... Auch mein anderer Philo-lehrer, mit dem der Seminarleiter reden will, hat nicht nachgefragt, wie's lief. Ich sehe schon, ich werde mich in diesem Fachbereich die nächsten Monate sehr wohlfühlen ;-)
Ein herzlicher Dank an dieser Stelle noch mal an Helene, die zuhause schon auf mich wartete. Im Gepäck Pizza, Kuchen und den obligatorischen Sekt! Da haben die 5 Stunden Seminar am späten Nachmittag gleich viel mehr Spaß gemacht :-)
Leider bleibt nicht viel Zeit, um sich auf den Lorbeeren auszuruhen, denn jetzt geht's an die Planung für die Lehrprobe am Montag, die dann auch benotet wird. Und von der ich hoffe, dass sie mindestens so gut läuft, wie die Stunde gestern.
In diesem Sinne: Viva la revolucion!
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