"In Deutschland leben 300.000 Geisteskranke, Epileptiker etc., deren Anstaltspflege 4 RM pro Tag kostet. Wieviel Ehestandsdarlehen von 1000 RM könnten damit finanziert werden?"
Wenn man diese Mathematikaufgabe aus der Zeit des Nationalsozialismus als Beispiel für deren Ideologie im Unterricht erzählt, lasse die Schüler NIE NIE NIE das Ergebnis berechnen... Eigentlich war es nur zur Anschauung gedacht, aber so schnell konnte ich gar nicht gucken, wie die Schüler ihre Taschenrechner hervorgeholt hatten. Eigentlich ein klasse Beispiel, wie gut man Schüler mit solchen Dingen ein Bewusstsein einimpfen kann, ohne dass sie es hinterfragen. In der Nachbesprechung teilte mir der Lehrer dann mit, dass in einer Examensstunde an dieser Stelle abgebrochen worden wäre - pietätlos :-( Er hat ja Recht, aber genauso gut zeigt es doch eben, wie das Einimpfen von Ideen funktioniert! Naja, es war einen Versuch wert.
Die 11. entwickelt sich wirklich zu meiner Lieblingsklasse. Oder sie wollen sich nur einschleimen. Aber das ist mir egal, wenn man bekniet wird, doch bitte weiter dort zu unterrichten. Ich soll nicht nur ab und zu kommen, sondern für immer da bleiben. Und am besten auch den Geschichtskurs übernehmen. Die letzte Klausur wäre so schlecht ausgefallen, weil sie's nicht verstehen und der Lehrer über falsche Wortmeldungen spottet, traut sich niemand aufzuzeigen (ha, der Westen hat meine Sprache erreicht ;-)).
Aus dem Kurs noch eine kleine Anekdote von heute. Wir haben alle zwei Wochen im Nebengebäude und können deshalb nie pünktlich mit dem Unterricht beginnen. 5 Min später anfangen ist die Regel. Nachdem dann heute 95% des Kurses da waren, habe ich begonnen, obwohl der Lehrer auch noch nicht da war. Nach zwei Minuten kommt ein Schüler in den Raum und will anfangen, sich bei mir für sein Zuspätkommen zu entschuldigen. "Bitte kommentarlos setzen und zuhören" war mein Einwand. Gesagt, getan, er setzt sich, wir machen weiter. Nach weiteren 10 Minuten kommt der eigentliche Lehrer und macht was? Fängt erstmal groß und breit an zu erzählen, warum er zu spät kommt. Wohlgemerkt, wir waren mitten im Unterricht. Während er erzählend zur Bank in der letzten Reihe läuft, starre ich wütend seinen Hinterkopf an, während die kpl. Klasse vor Lachen fast vom Stuhl fällt. Mir lag auf den Lippen, ihm dasselbe zu sagen, wie dem zuspätkommenden Mitschüler, hab mich aber nicht getraut :-( Ich HASSE Unpünktlichkeit!
Und nun habe ich den längsten Unterrichtstag meiner bisherigen Referendariatszeit hinter mir. 6 Stunden Unterricht am Stück. Bzw. drei Doppelstunden (hört sich aber nicht so schlimm an, wie 6 Einzelstunden ;-)). Ich muss sagen, es geht. Zwar kam ich wieder nicht zum Essen und konnte in der 11. kaum noch reden, aber ich hätte es mir schlimmer vorgestellt.
Bevor ich mich gleich dem kommendem Unterricht der Woche widme, ein kleiner Nachtrag zur Servicewüste Aachen. Auf dem Heimweg gehe ich zu meinem Bäcker ums Eck, um Brot zu kaufen. Nicht nur, dass ich mit Brot und Schokocroissant den Laden verlassen haben, nein, ich weiß jetzt auch, dass die Bäckersfrau 39 Jahre verheiratet war, seit einem halben Jahr geschieden ist, weil ihr Mann in Kur war und dort "eine Dummheit begangen hat". Dass sie deswegen noch oft weint und von ihrem Lohn kaum leben kann. Außerdem muss man beim Bäcker zur Zeit sieben Tage die Woche arbeiten, weil sie nicht genügend Arbeitskräfte haben und die Stunden nicht ausbezahlt, sondern nur gutgeschrieben werden. Sie würde so gerne Abends mal ausgehen, hat aber nicht die Kraft dafür. Ich muss nachher mal in den Spiegel schauen, ob auf meiner Stirn steht "Bitte erzähle mir deine Lebensgeschichte" - es scheint fast so ;-)
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